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Sport/ Schach

mens sana in corpore sano

Schach als Sport, Kunst, Philosophie und Meditation

Was sind das nur für Leute, die sich sowas antun? Die stundenlang schweigend und mit ausdruckslosem Pokerface an einem Tisch hocken, auf ein kariertes Brett starren, gelegentlich ein Klötzchen darauf verschieben oder herausnehmen und dann auf eine Doppel-Uhr drücken? Und wenn sie gelegentlich aufstehen, wandern sie wenige Meter, um wiederum auf die Bretter ihrer Leidensgenossen zu starren. Nur manchmal verzieht sich ihre Mimik dann kurz zu einer Grimasse, von der man nicht so genau sagen kann, ob sie als Kommentar zu dem Geschehen auf den Brettern oder als Gesichtsentspannungsübung gemeint ist. Erst nach Stunden mal hier ein Handshake, dort ein Schultertätscheln, ein anerkennendes Nicken oder stilles High five. Und im ganzen Raum kein Handy, keine Zigarette, nur draussen vor der Tür ein einsamer Aschenbecher mit ein paar Kippen der letzten Raucher, die sich jeden nervösen Zug von ihrer Bedenkzeit absparen mussten.

Ja, es ist wieder Schach-Wettkampfsaison und ich hassliebe sie – diese familienfeindlichen Sonntage mit teilweise hunderten Kilometern Fahrtstrecke bei manchen Auswärtsspielen im engen Mannschaftsbus, das stundenlange Hirnwinden am Brett, das machtlose Mitleiden am Patzerblues eines unausgeschlafenen Teamkollegen, der Gute-Laune-Knockout nach einer (natürlich vermeidbaren) Niederlage, die psychopathologischen Zudringlichkeiten von versäumten Chancen über Tage und Nächte, der scheinbar sinnlose Befriedigungsversuch des narzisstischen Intellekts, die Liebeszurückweisung Caissas.

Ah was! Is schon klasse, sich ab und an auszuklinken aus dem Weltgeschwurbel, wie in meditativer Trance fokussiert auf das neuronale Gestöber der in vielen Jahren gechunkten Stellungstypen mit Fesselungsmotiven, Killer-Gabeln und multifunktionalen Abzügen. Und wenn’s nach intensivem Kampf schließlich Remis wird, weil beide Kontrahenten ihr Potential ohne Patzer in die Partie einbringen konnten (dank des Brettfolge- und Wertungszahlen-Systems trifft man ja in der Regel auf etwa gleichstarke Gegner), dann stellt sich ein befriedigendes Gefühl des gegenseitigen Anerkennens und sportlicher Wertschätzung ein, eine Resonanzerfahrung. (Noch angenehmer, wenn die eigene Mannschaft am Ende doch gewonnen hat ;-)

Aber was ist Schach denn nun eigentlich? Spiel, Sport, Kunst, Meditationstechnik oder Philosophie? Seit Mitte der 70er Jahre ist es in Deutschland offiziell eine Sportart, als DSB im DSB, wie etwa der Fussball, und in vielerlei Hinsicht zeigen sich Parallelen. Zwar nehmen nur jene die Metapher ‚Rasenschach‘ in den Mund, die dem Gekicke einen Hauch geistiger Weihe verleihen wollen, aber immerhin verbrennt so ein Kicker während eines 90-minütigen Spiels in etwa so viele Kalorien beim Laufen wie ein Schachspieler in einer Wettkampfpartie auf volle Zeitdistanz beim Denken.
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Philosophisches zur Fußball-EM

gunter gebauer

In kaum einem anderen Land genießt der Fußball in Intellektuellenkreisen so hohes Ansehen wie in Frankreich, spätestens seit der philosophierende Amateur-Fußballer Albert Camus bekannte: „Was ich am sichersten über Moral und menschliche Verpflichtungen weiß, verdanke ich dem Sport.“ Und sein langjähriger Freundfeind Jean-Paul Sartre, der Fußball nach der Eintrübung seines Verhältnisses zu Camus angeblich nur noch heimlich schaute, haute den Evergreen raus: „Bei einem Fußballspiel verkompliziert sich allerdings alles durch die Anwesenheit der gegnerischen Mannschaft.“ Und wenns dann mal für die eigene Mannschaft tatsächlich nicht so gut läuft und der… Weiterlesen »Philosophisches zur Fußball-EM

Beten für’s WM-Finale

Spielvorbereitung Argentinien - Deutschland

Aus Sicht der Philosophischen Anthropologie speist sich der kollektive Fussball-Fanatismus hauptsächlich aus zwei Quellen: Einerseits aus dem Tribalismus (mitsamt seinen Inclusions-/Exclusions-Mechanismen, Überlegenheitsdünkel und Nationalstolz) und andererseits aus dem Bedürfnis nach metaphysischer Sinnstiftung für die elende Daseins-Geworfenheit, nach Trost durch die Religion. Und weil der Mensch mit einem abstrakten ‚Gott‘ wenig anfangen kann, hat er sich ihn zu allen Zeiten phänomenologisch abgerichtet, mal in der einen, mal in einer anderen Erscheinungsweise, und heute eben in Gestalt des Fussballs. Welche positiven synergetischen Effekte sich daraus ziehen lassen, haben auch die beiden Spielmacher… Weiterlesen »Beten für’s WM-Finale

Schachboxen nützt bei Gehwegschäden nix

In Helmut Kuhns Roman „Gehwegschäden“ taumeln existenzielle Low Performer durch ein prekäres Berlin Wer mit einem Berlin-Roman in den literarischen Feuilletons und bei einem breiteren Lesepublikum noch die Münze der Aufmerksamkeit klingeln lassen will, muss sich schon ein paar veritable Attraktionen einfallen lassen; denn ist es ja nicht so, dass es einen Mangel an „Berlin-Romanen“ gäbe, bei Eingabe dieses Gattungsbegriffs spuckt die Google-Suchmaschine über 100 Millionen Treffer aus. Um in diesem Gewimmel aufzufallen, reicht“™s natürlich nicht, das „šamtliche“˜ Drehbuch eines zeitgenössischen Berlin-Romans in der tausendsten Variante aufzuführen und irgendwie &… Weiterlesen »Schachboxen nützt bei Gehwegschäden nix

Arabische Impressionen

Wandlungsprozesse finden ständig und überall in der belebten und unbelebten Natur statt, lange im Verborgenen, unserer nur grob auflösenden Zeitwahrnehmung entzogen, bis eine erste Schaumkrone vom nahenden Sturm kündet, die rostende Dachrinne zu tröpfeln beginnt, eine für ewig geschworene Liebe in Achtlosigkeit oder Gezeter entgleitet. Auch die Geschichte von Kulturen und Gesellschaften lässt sich nicht an bestimmten Jahreszahlen von Kriegen, technisch-wissenschaftlichen Innovationen und scheinbar plötzlichen Revolutionen bemessen, es gab immer eine Vor-Gärung im undurchsichtigen Fass der kollektiven Meme, bis ein zu groß gewordener Druck den Deckel absprengt. Was sich derzeit… Weiterlesen »Arabische Impressionen

Lena tröstet Fussball-Nationalmannschaft

„So ist es auf Erden: Jede Seele wird geprüft und wird auch getröstet.“ Eingedenk dieser Worte von Dostojewski und angesichts der bedrohlichen Situation nach der Niederlage auf dem Amselfeld Schlachtfeld gegen die Serben hat sich unsere Lena der Nation spontan zu einem Front-Konzert zwecks psychologischer Betreuung im südafrikanischen Mannschaftsbunker der deutschen Jungs eingefunden – unser investigativer Cartoonist Andi Walter konnte sich vor Ort ein Bild machen: © Andreas Walter 2010 wf

Guter Fussball lebt von Voodoo und Intuition

Für die meisten Afrikaner ist die Magie im Fußball das spielentscheidende Element, und so gehören zu jedem afrikanischen Fussball-Team, obwohl offiziell untersagt, neben Trainerstab und Masseur einige „Witchdoctors“, die mit allerlei Voodoo-Zauber und magischen Ritualen dafür sorgen, dass überall, wo in Afrika der Ball rollt, auch die Geister mitspielen. Nun kann man nicht unbedingt davon ausgehen, dass unsere europäischen Spieler davor gefeit sind; immerhin benutzen wir für das Unerklärliche, scheinbar Übernatürliche lieber den eleganten Begriff der ‚Intuition‘, die im allgemeinen Sprachgebrauch gern mit ‚göttlicher Eingebung‘ gleichgesetzt wird – im Fussball… Weiterlesen »Guter Fussball lebt von Voodoo und Intuition

Schach fördert vernetztes und strukturiertes Denken

Matt in drei ZíƒÂ¼gen

„Mein Kopf kommt nicht mehr mit!“ jammert Frank Schirrmacher im Spiegel-Essay und beklagt in seinem soeben erschienenen Buch „Payback“, dass er sich von der medialen Informationsüberflutung des Computerzeitalters und den modernen Anforderungen des Multitasking völlig überfordert fühle – dabei sollte er als Mitherausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ doch eigentlich zwischen Wichtigem und Unwichtigem unterscheiden können, nicht nur nach den traditionellen FAZ-Kriterien ‚Althergebrachtes = gut‘ und ‚Neues = gefährlich‘. Wir wollen jetzt hier nicht in die laufende Diskussion einsteigen, ob und wie diese intensive Medien- und Computernutzung mittel- und langfristig die… Weiterlesen »Schach fördert vernetztes und strukturiertes Denken

Pimp your brain mit happy pills

Happy Pills

Kontroverse Diskussion zu den Möglichkeiten und Gefahren des Neuro-Enhancement Wenn Sie sich wundern, dass ihr langjähriger Schachpartner, bisher immer ein dankbares Opfer für die Kibitze der Caféhaus-Galerie, Sie plötzlich mit kombinatorischen Feuerwerken vom Brett fegt, könnte es daran liegen, dass er zu den Pillentestern eines neuen Zweigs der Pharmaindustrie gehört: den Herstellern von Wirkstoffen für das sogenannte Neuro-Enhancement. Denn wenn es nach deren Vorstellungen geht, sollen in Zukunft nicht nur psychische Störungen mit der Chemiekeule angegangen werden, sondern auch die kognitive Leistungsfähigkeit und psychische Belastbarkeit von eigentlich gesunden Menschen damit… Weiterlesen »Pimp your brain mit happy pills

Playstation Fußball-Bundesliga

Der wahre Fußballfan gilt sich selbst ja bis heute als der Phänotyp des Philosophen im Heraklit’schen Sinne,  so wie er da am Rand des Spielflusses über die vorbeitreibenden Ereignisse reflektiert,  mit den Stammesbrüdern über die Transzendenz göttlicher Spiel-Ideen sinniert, in der Tabellenmathematik als Sinnelixier seines Sports die mögliche Meisterschaft seines Clans antizipiert. Doch auch das wahre Sein des Fußballspiels  unterliegt wie manch anderes Liebgewordene der ‚ontologischen Drift‘ durch die Erkenntnisse der Naturwissenschaften und bald werden die AAhs und OOhs der Fans bei intuitiven Flanken und spekulativen Grätschen nicht mehr dem… Weiterlesen »Playstation Fußball-Bundesliga

Talent, Genie, oder doch Arbeit? – Neues aus der Lernforschung

A bisserl was sollt‘ man schon in den Genen haben, wenns zum „Genie“ reichen soll. Ganz ohne Talent wird keiner zum Mozart, Einstein, Kant oder Kasparov. Aber diese „Mitbringsel“ sind kaum mehr als biologische Möglichmacher und bestimmt nicht, wie manche unverbesserlichen Romantiker glauben, ein „Angehauchtsein“ aus einer höheren, gar göttlichen Sphäre. Im Blick der modernen Forschung etwa verdankte Mozart seine musikalischen Fähigkeiten im Kindesalter weniger einer angeborenen Geistesgabe als früher Förderung und seine ersten Kompositionen waren nichts Ungewöhnliches, sondern mehr oder weniger von den „Großen“ abgekupferte Übungsarbeiten. Mozart war zwar… Weiterlesen »Talent, Genie, oder doch Arbeit? – Neues aus der Lernforschung