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Die Macht der Gefühle

Gehirn

Schon die Stoiker wussten, dass der Mensch für dauerhaftes Glück nicht geschaffen ist. Klar, so einen Energiefresser wie Verliebtheit hält das Hirn nicht lang durch, ohne völlig plemplem zu werden und schaltet deshalb rechtzeitig runter in den Sparmodus der Routine.
GehirnWodurch werden unsere Gefühle und unsere Entscheidungen bestimmt? Offenbart sich das Wesen des Menschen erst im Fühlen und müssen wir, wie manche Forscher glauben, der Emotionalen Intelligenz größere Bedeutung beimessen als bisher?
Zu dieser „Macht der Gefühle“ plauschte gestern die Nachtstudio-Runde bei Volker Panzer recht entspannt über die wechselseitige Beeinflussung von Bewusstsein, Gefühlen und unserem archaisch-biologischen Erbe.

Aussgehend von der Einteilung in einige wenige universelle Primärgefühle wie Furcht, Hass, Lust, Neid, u.A. und unzähligen daraus zusammengesetzten individuellen Sekundärgefühlen waren sich die kompetenten Damen und Herren schnell einig, dass individuelles Bewusstsein, abhängig von der jeweiligen Sozialisation, die Art und Intensität der Gefühlsentstehung beeinflusst – wie umgekehrt eine aktuelle Gefühlssituation nicht nur Entscheidungsprozesse, sondern auch Erinnerungen mitbestimmt.
Ziemlich überraschend sind dabei die Erkenntnisse der neuen Kombi-Wissenschaft der Neuroökonomie, die den lang postulierten genetischen Egoismus als Verhaltensgrundlage beim Homo sapiens zu widerlegen scheint – das Gehirn entwickle sich eben innerhalb sozialer Beziehungen und belohne deshalb auch uneigennützig-mitfühlendes Handeln mit Glückshormonen. Obwohl der Begriff Memetik in diesem Zusammenhang nicht fiel, äußerte der Psychologe Thomas Goschke die naheliegende Vermutung, dass Kultur sich dabei in der neuronalen Basis des Gefühlsempfindens verankere und sich quasi weitervererbe.
Man könne ja auch an den weltweit sehr unterschiedlich ausgeprägten Ausdrucksformen der Sekundärgefühle erkennen, welchen Einfluss kulturelle Traditionen haben und dass deshalb etwa die Interpretation von Gesichtsausdrücken mit Vorsicht zu genießen sei.
Was allerdings überall gleich zu sein scheint, sind die neuronalen „Gefühlscontainer‘, sozusagen die „Druckerpatronen“ mit den Primärgefühlen, aus denen sich die individuellen Farben erst zusammensetzen; ist eine davon leer, giert sie nach Befüllung: gibt es etwa keine ‚Angstmacher‘ mehr, können sich scheinbar irrationale Phobien entwickeln.

Hirnforscher Gerhard Roth, der nicht nur zum Forschungsstand Erstaunliches berichten konnte, sondern auch die philosophische Ebene mit Gedanken zum Freien Willen einbrachte, hielt letztlich auch ein Plädoyer für die ‚Ratio‘, die bei all der gegenwärtigen Bauchgefühl-Euphorie in Wissenschaft, Medien und Buchmarkt als gestalterisches Element menschlichen Zusammenlebens oft etwas zu kurz komme.

Sehr angenehm, dass in der Runde niemand Ansprüche auf die Allgemeingültigkeit vorläufiger wissenschaftlicher Durchschnittsbefunde erhob und beruhigend, dass so außergewöhnliche Menschen wie Du und Ich keine Musterfälle zur Normerfüllung sind. Durchaus legitim also, wenn man seinen inneren Zustand wie Nick Hornby’s Plattendealer ausdrückt: „Ich glaub‘ inzwischen, dass mein Bauch nur Scheiße im Kopf hat.“

Nachtstudio vom 30.3. 08

wf

2 Gedanken zu „Die Macht der Gefühle“

  1. Weil du das Thema „Memetik“ angeschnitten hast: Der „letzte Schrei“ in den Neurowissenschaften scheint mir der Nachweisversuch zu sein, dass epigenetische Veränderungen tatsächlich dauerhaft im menschlichen Erbgut verankert werden können. Das wiederum könnte tatsächlich bedeuten, dass sich Meme nicht nur als kulturelle Konzepte behaupten, sondern neurologisch materialisieren können.
    Boah, in diesem Licht erscheint nicht nur Platons Ideenlehre, sondern auch Gautamas Anatman, Hegels ‚Weltgeist‘ und viele andere Bewusstseinsvorstellungen plausibel – ganz ohne Substanzdualismus.

    gruss, m.

  2. Pingback: Neurowissenschaften, Gehirn und Bewusstsein « Begrenzte Wissenschaft

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