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Tom Waits zelebriert die Nonchalance des Pegeltrinkers

Tom Waits

Der Mann war schon immer der leibhaftige Schwiegermutter-Albtraum, der lallende Penner mit dem infernalischen Gurgeln aus einer Hinterhofmülltonne, und doch hat er Millionen Platten verkauft – denn er singt, krächzt und bluest herzergreifend für all die Verlorenen und Verwundeten, für die Ausgestoßenen der Bürgergesellschaft und alle Hobos im Geiste, die vom American Dream nicht mal mehr träumen.

Tom Waits

Tom Waits

Ein US-Musikmagazin schrieb einmal über Tom Waits, seine Stimme klinge so, als habe sie ein paar Monate in einem Whiskey-Fass gelegen, sei dann geräuchert und zuletzt von einem Auto überfahren worden.

Mein persönliches „Erweckungserlebnis“ hatte ich vor 30 Jahren in einer Winternacht im dummerweise noch sommerbereiften Auto, als ich auf einer kleinen Landstraße eingeschneit wurde, nicht mehr vor- oder zurückkam und am Straßenrand auf den nächsten Schneepflug warten mußte. Da lief im Radio „Burma Shave“ und mir liefs nicht nur angesichts der frostig-gruseligen Lebenssituation kalt & heiß durchs Mark. (Ein Teil der 7000 Verse dieser US-Highway-Werbelyrik, die dem imaginären, versifften Kaff in Waits‘ Song den assoziationsgeladenen Namen gaben, sind übrigens in Frank Rowsome Jr.’s Dokumentation „The Verse by the Side of the Road“  in Buchform gesammelt.)

Jetzt wird der Kalifornier, der ja noch nie wirklich jung ausgesehen hat, würdige 60 (am 7. Dezember), weshalb er sich und seinen Fans ein Live-Doppel-Album („Glitter and Doom„) mit neuen Songs & alten Gschichterln spendiert hat und gerade rechtzeitig erschien auch eine 700 Seiten starke Biographie von Barney Hoskyns („Tom Waits. Ein Leben am Straßenrand„), über die sich Bernd Graff in der SZ ein wenig mokiert.

Schon die frühen Live-Auftritte und schwarz-weiß-Videos von Waits waren Mischungen aus Säufer-Melodram und musikalisch unterlegter spoken poetry im Geiste der für Waits prägenden Beat Generation, eigentlich unzumutbar für das kulturindustriell gesteuerte „Qualitätsfernsehen“. Aber die folgende Lyrik-Performance „Emotional Weather Report“ aus dem öffentlich-rechtlichen „Rockpalast“ von 1977 ist kein Fake und dokumentiert, wie provokant und ungelackt Kulturfernsehen in Deutschland mal sein durfte …

(Wenn das Video nicht angezeigt wird, hier klicken!)


Update: In der „ZEIT“ findet Ihr ein aktuelles Interview mit Tom Waits

wf

5 Gedanken zu „Tom Waits zelebriert die Nonchalance des Pegeltrinkers“

  1. Ich trauere heute noch der verpassten Konzertgelegenheit nach. Vor ein paar Jahren war Tom Waits ja ausnahmweise mal in Deutschland. Drei Konzerte nacheinander in Berlin. Sonst nirgends. Die teure Karte hätte ich mir damals noch gerade so leisten können, aber in Kombination mit der Fahrt nach Berlin und der Tatsache, dass ich allein hätte fahren müssen, waren es der Umstände zu viel. Heute bereue ich es…

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