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Lehrer: Feindbild oder Führungs-Revoluzzer?

Lehrer

Zum gegenwärtig unvermeidlichen Großthema „Bildung“ (s.u.)  gabs im letzten ZDF-Nachtstudio einen erwähnenswerten Nachschlag unter dem Titel „Feindbild Lehrer“. Man möchte ja meinen, dazu sei an deutschen TV-Stammtischen alles tausendfach durch- und wiedergekäut; thematisch etwa im dialektischen Spannungsfeld von Gesprächteilnehmerin Enja Riegels pessimistischem Credo: „Auch ein sehr motivierter Lehrer kann in den deutschen Schulstrukturen kein guter Lehrer sein“ und Bernhard Buebs Knallbonbon: „Die Unkündbarkeit der Lehrer ist ein Verbrechen an den Kindern.“

Wie? Ja, ihr habt schon richtig gelesen, mit dem letzten Satz provoziert jener Bueb (Autor des aktuellen Pädagogik-Bestsellers „Von der Pflicht zu führen“), der die längst versenkt geglaubten ‚Tugenden‘ der Altvorderen  aus den trüben Gewässern der autoritären Erziehung wieder herausgefischt hat.

LehrerGenauso gerierte er sich auch zu Beginn der Sendung mit seinen pädagogischen Heilsversprechen í  la „Gute Führung kann die Menschen glücklicher und erfolgreicher machen“ oder „Disziplin konkretisiert sich in Sekundärtugenden wie Fleiß oder Gehorsam.“
Klingt eigentlich nach Abschalten, doch nach Buebs Attacke aufs Beamtentum blieb ich am Gespräch dran, das tatsächlich noch eine interessante Entwicklung nahm, die ich hier im Mini-Zusammenschnitt einiger Zitate zu skizzieren versuche.

Zunächst wies Enja Riegel, die jahrzehntelange Kämpferin für Schulreformen und Buchautorin von „Schule kann gelingen“, darauf hin, dass die bestehenden und schon bewährten Formen der Alternivpädagogik weder an den Universitäten noch in den Ministerien beachtet würden;  Standesdünkel, traditionalistische Verdrängung und ideologische Gründe verhinderten eine Erneuerung des Lehrerberufs.

Riegel: „Die Lehrerausbildung ist eine Katastrophe und die Lehrer wissen nicht genau, was eigentlich ‚guter Unterricht‘ ist – sie werden ausgebildet zum 45-Minuten-Domteurs-Dasein.“
Bueb: „Es wäre geradezu eine Kopernikanische Wende,  wenn der Lehrer in den Mittelpunkt der Ausbildung träte.“
GEW-Vize Marianne Demmel: „Viele Lehrer haben Probleme, mit der veränderten Lehrerrolle klarzukommen, zum Beispiel Feedback zuzulassen.“
’spickmich‘-Redakteur Bernd Dicks: „Das Problem ist, dass, wer schon Lehrer ist,. nicht mehr aussortiert werden kann.“
Riegel: „Es muss möglich sein, Lehrer zu entlassen.“
Bueb: „Man müsste den Beamtenstatus aufheben, auch wenn der Ruf der Lehrer darunter leidet. Und es wäre wunderbar, wenn jemand Lehrer werden könnte, der zwar nicht die universitäre Laufbahn dafür absolviert hat, aber die Passion fürs Unterrichten.“
Und nun das, für mich von Bueb völlig unerwartete ‚Zuckerl‘:
„Lehrer müssen lernen, politisch zu denken und zu handeln; eigene Ideen entwickeln, statt sich ‚von oben‘ bevormunden zu lassen. Das müsste zur Regel werden!“

Jawoll, Herr Bueb, die Autorität, dahingehend einzuwirken, sei Ihnen vergönnt – das klingt ja schon richtig nach Partizipatorischer Demokratie und Offener Gesellschaft

Das obligatorische Schlusswort zur Sendung entlieh Volker Panzer diesmal bei Bertolt Brecht. Ist durch ständige Zitiererei zwar schon fast zum Kalauer geworden, aber man mags zur ‚Vergangenheitsbewältigung‘ eigenen Schülerleidens immer wieder gern mal hören:
„Während meines 9-jährigen Eingewecktseins an einem Augsburger Realgymnasium gelang es mir nicht, meine Lehrer wesentlich zu fördern.“

Nachtstudio vom 17.11.08

ZEIT-Streitgespräch über Erziehungsmodelle: Bueb vs Cohn-Bendit

wf

Ein Gedanke zu „Lehrer: Feindbild oder Führungs-Revoluzzer?“

  1. Wie es den Anschein hat, sind die abgedroschensten Zitate von Brecht aussagekräftiger als das Gescheiteste von Bueb. Vielleicht sollte sich der „böse Bueb“ mal von Brecht oder einem anderen politisch Gebildeten führen lassen. Die dazu nötigen „Sekundärtugenden“ bringt er ja im Übermaß mit.

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