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Mit Nietzsche gegen die Bücherflut

Friedrich Nietzsche

„Man sollte einen Schriftsteller als einen Missetäter ansehen, der nur in den seltensten Fällen Freisprechung oder Begnadigung verdient: das wäre ein Mittel gegen das Überhandnehmen der Bücher.“
So ein Drakonisches Gesetz gegen Schriftsteller schwebte Friedrich Nietzsche vor angesichts der seinerzeit stark ansteigenden Bücherflut, obwohl die damalige Buchproduktion nur bei ungefähr 15% der heutigen (Un)Menge lag. Und ließe sich Nietzsche heute einmal über die Frankfurter Buchmesse treiben, dürfen wir annehmen, dass sein Irrewerden am Irresein des letzten Menschen nicht erst eines gepeinigten Droschkengauls bedurft hätte.

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Ruhige Fruchtbarkeit. Die geborenen Aristokraten des Geistes sind nicht zu eifrig; ihre Schöpfungen erscheinen und fallen an einem ruhigen Herbstabend vom Baume, ohne hastig begehrt, gefördert, durch Neues verdrängt zu werden. Das unablässige Schaffenwollen ist gemein und zeigt Eifersucht, Neid, Ehrgeiz an. Wenn man etwas ist, so braucht man eigentlich nichts zu machen – und tut doch sehr viel. Es gibt über dem »produktiven« Menschen noch eine höhere Gattung.

(Menschliches, Allzumenschliches. Erster Band. Viertes Hauptstück.
Aus der Seele der Künstler und Schriftsteller)

wf

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Ein Gedanke zu „Mit Nietzsche gegen die Bücherflut“

  1. Hallo wf,
    danke für Deinen Eintrag. Ich hatte schon längere Zeit, immer mal wieder, nach dem Zitat gesucht und es in „Jenseits von Gut und Böse“ oder in „Zur Genealogie der Moral“, bis mich eine Google-Suche vorhin eines besseren belehrte.
    Ich glaube, das Zitat lässt sich mit den Bemerkungen zum Wert der Wahrheit zu Beginn des Ersten Hauptstückes in „Jenseits von Gut und Böse“ zusammenbringen.
    Ein Wert kann gesteigert und verringert werden, eben wie an der Börse. In der Massenkultur findet nur der Gehör, der „erst als ungeheure und furchteinflößende Fratze[…] über die Erde hinwandel[t] (JGU, ebd.)
    Der Verlust einer Übersicht über die Positionen in der Philosophie durch das Überhandnehmen der Bücher bringt es mit sich, die Frage nach der Letztbegründung und die der Möglichkeit einer Logik und Metaphysik, also eines Ersten, über Bord zu werfen. Da Bücher mehr zum Broterwerb dienen, als zur Wahrheitsfindung, ist mit Marketing und fiktiven, originellen ersten Anfängen aufzuwarten wie z. B. einer Umwertung aller Werte, die andere Positionen schlucken können, daher, was ihre Folgen angeht, ein gewisses Wertniveau haben.
    Wieso sollte sonst ein ausgezeichneter Philologe wie Nietzsche mit solchen Worten wie „Slavenmoral“ arbeiten?
    Im Grunde hat Nietzsche damit in selbstreferentieller Absicht so etwas gemacht wie z. B. Sokal und Bricmont mit ihrem Artikel zur Hermeneutik und Quantengravitation – nur bei Nietzsche ist das Programm.

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