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Philosophie light fürs Party-Geplauder

Wenn es denn zulässig ist, aus den Bücher-Bestsellerlisten Rückschlüsse auf den geistigen Allgemeinzustand einer Kulturgesellschaft zu ziehen, kommt bei mir mit Blick auf die aktuelle zwar auch keine rechte Freude auf, aber doch ein Hauch von Optimismus.
Hat sich doch einer, der eben mal weg war, zwei Jahre mit belanglosem Pilgergeplapper an der Spitze der Ratgeber-Hitparade gehalten, so wird er nun wenigstens von einem abgelöst, der „Antworten auf die großen Fragen des Lebens bietet“ (Werbeslogan Goldmann-Verlag).
Der richtige Anschub kam aber wohl wieder mal von „Uns Elke“, die in „Lesen!“ das Buch als „Einstieg ins Glück“ auf den Sockel hob.

Ich geb gleich mal zu, dass ich mir hier ein paar Takte anmaße, ohne Richard David Prechts „Wer bin ich und wenn ja, wie viele?“  überhaupt gelesen zu haben. Aber das Anliegen des Buches geht klar aus dem Klappentext und den vielen mittlerweile erschienenen Rezensionen hervor und ist definitiv nicht das schlechteste: Einen zusammenfassenden und allgemeinverständlichen Überblick zu philosophischen Fragestellungen aus Geschichte und Gegenwart zu vermitteln, auch den heutigen (Un-)Wissensstand hinsichtlich unseres psychologischen und neurobiologischen Menschenverständnisses.
Der aktuelle SPIEGEL belobigt: „Und alles wird knapp und leicht serviert, selbst wenn der Kantianer Precht die Erkenntnistheorie des Königsberger Denkers mit moderner Hirnforschung konfrontiert, wobei er gewisse Anmaßungen der Neurologie – falls sie zum Beispiel die Freiheit des Willens einfach leugnet – zurückweist.“

Der ziemlich hip anmutende Buchtitel sei laut Selbstbekenntnis des Autors eine im Wortsinne „Schnapsidee“ gewesen, spiele aber auf Ernst Machs „Analyse der Empfindungen“ von 1886 an, in der – analog zur buddhistischen Philosophie – ein stabiles Ich-Zentrum in Frage gestellt wird.
Aus einigen ’seriösen‘ Rezensionen entnehme ich jetzt mal optimistisch zusammenfassend, dass Precht zumindest ansatzweise versucht, seinen Lesern eine Vorstellung von der Komplexität unseres Bewusstseins zu vermitteln, wie es aus vergangenen und sich ständig verändernden psychologischen und/ = neuronalen Bedingungen unablässig neu emergiert.
Aber um Precht eine derart zeitgemäße Interpretation des Anatman zuzugestehen, möcht ich ihn doch demnächst erst selber lesen, vielleicht, wenn ich dann mal weg bin.

Immerhin scheint er ganz gut zur kleinen ‚Einsteiger-Bibliothek‘ neben die hier schon besprochenen Luc Ferry und Werner Simon zu passen und angesichts des Medienhypes wäre ich nicht überrascht, beim nächsten Party-Smalltalk über Zusammenrottungen geballter ‚Philo-Kompetenz‘ zu stolpern…

zum Buch/ Amazon-Rezensionen

 wf

2 Gedanken zu „Philosophie light fürs Party-Geplauder“

  1. Wenn der gutwillige und „bildungshungrige“ Fernsehgucker wenigstens „etwas fürs Leben“ mitnehmen kann, sollte es einem schon recht sein, daß die einstige Metzgersfrau Else Stratmann und heutige Literatur-Ikone Elke Heidenreich den Lesetipp gegeben hat. Sie hat sich eben „weitergebildet“.

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