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Kein Skandal, aber Monaden beim Bachmann-Preis

Literaturtage

Ach was waren das für herrlich blutige Zeiten, damals 1983, als sich der noch unbekannte Rainald Goetz beim Lesen live die Stirn aufschlitzte. Zwar bekam er dafür keinen Preis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb, konnte aber immerhin mediale Big Points für seinen Karriereanschub sammeln und hält im Nachglanz dieser Aufmerksamkeit nun als „Klage“-Blogger eitlen Vanity-Fair-Hof in der adabeienden Literatur-Schickeria.

LiteraturtageAber wie schon in den Vorjahren ging es bei den diesjährigen Klagenfurter Literaturtagen gesitteter zu, als man es von einer ‚Intellektuellen Avantgarde‘ erwarten würde – nicht etwa nur hinsichtlich fehlender Schlitztechniken, sondern insbesondere mangels Mut zu einem radikaleren literaturästhetischen Anspruch als die dargebotenen Klein-Klein-Beschaulichkeiten. Immerhin hatte Einiges Witz im Detail und semantische Frische; manchem Text ist auch zuzutrauen, dass er sich aus der effekteffizienten Viertelstund-Kompression zu einem reflektierend schnurrenden Langhuber entwickelt.

Jedenfalls waren sich auch in diesem Jahr Jury und Publikum bei der Preis-Vergabe erstaunlich einig: Tilman Ramstedt erhielt den mit 25.000 Euro dotierten Ingeborg Bachmann Preis und den Preis des Publikums. Der Telekom-Preis ging an Markus Orths, der 3sat-Preis an Patrick Findeis. Der Österreicher Clemens J. Setz gewann den Willner-Preis.
Alle Details, Texte und Jurybegründungen könnt ihr auf der sehr gelungenen offiziellen Website zum Bachmann-Preis nachlesen (übrigens in sieben Sprachen!).

Mir hat am besten die Darbietung von Dagrun Hintze gefallen (später nicht in engerer Wahl), die das suchende ‚Dazugehörenwollen in einer Sinnstiftungsgruppe‘ in den Angeboten zur Sinnfindung im Supermarkt der postmodernen religiösen und philosophischen Beliebigkeiten als feuilletonistisch-ironisches Textspiel inszenierte.
Zumal in ihrem Präsentationsvideo die Rede war von den Grenzüberschreitungen des ‚monadischen Ich‘ zur absorbierenden Außenwelt – eins meiner Lieblingsbilder, diese zauberhaft identitätsstiftenden Monaden
Dagmar Hintze ist noch dazu eine recht Hübsche und so schlich sich ein Geschmäcklein in die folgende Debatte, als ausgerechnet die beiden weiblichen Juroren ihre Perspektive am heftigsten bekrittelten ;-)

wf

2 Gedanken zu „Kein Skandal, aber Monaden beim Bachmann-Preis“

  1. Gegen stille Literatur ist ja nichts einzuwenden, aber all diese betulichen Gefälligkeitstexte haben bei mir nicht gerade das Gefühl vermittelt, die Zeit vor dem Fernseher sinnvoll verbracht zu haben. Ein veritables Gegengewicht zur Fußball-EM waren diese Bachmann-Tage jedenfalls nicht. Und Dagrun Hintze … nun, der Prototyp einer Kulturschnepfe, eine wohl eher hinfällige Erscheinung bei diesem Wettbewerb.

  2. @ms

    bezüglich des fehlenden gegengewichts zur EM stimm ich dir zu, aber die monadenlegende schnepfe würd ich mir doch gern mal näher ansehen ;)

    @alle nicht-bayern (übersetzung auf nachfrage):
    ein „adabei“ (von „auch dabei“) ist ein parasitärer mitläufer, party-schmarotzer o.ä. g’schmeiß…

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