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Der Moonwalker tanzt nicht mehr

Gestern Nacht ist Michael Jackson, die Ikone und tragische Figur der letzten drei Popjahrzehnte, in Los Angeles an Herzstillstand in einem Krankenhaus verstorben.
Wie immer man zu ihm und seiner Kunst stehen mag, wird man wohl dem Urteil seines jahrelangen Produzenten und Musikmanagers Quincy Jones zustimmen:  „Michael hatte alles – Talent, Anmut, Professionalität und Hingabe.“ Unbestreitbar war er für Pop-Verhältnisse auch ein ausdrucksstarker, kreativer Tänzer – vor Allem aber war er eine schillernde Figur mit einem grenzgängerischen Lebensentwurf zwischen Banalität und Idealismus, Obszönität und Absurdität. Zerrieben zwischen märchenhaftem Reichtum und emotionalen Tauchgängen in einer Phantasiewelt mit wenig Restlicht aus der Realität, körperlich entstellt durch den Weißheits-Wahn, seelisch deformiert und wohl auch ziemlich isoliert im selbstgewählten Peter-Pan-Gefängnis einer nie gelebten, nur als solipsistisches Sehnsuchtsmodell vorgestellten paradiesischen Kindheit.
Als Mensch,  Künstler und Projektionsfläche ein skurriles Gesamtkunstwerk und gleichzeitig Mahnmal für eine gescheiterte Utopie.
Im kulturgeschichtlichen Rückblick könnte er bald als ‚die letzte Ikone‘ (neben Madonna) einer verflossenen Zeit gelten, in der sich globale Superstars noch mit der Manipulationsmacht der traditionellen Massen- und Klatschmedien realitätsentfremdet heranpäppeln ließen – und an der Stilisierung und den Erwartungen manchmal zugrunde gingen…

Weil im Web grad Jacksons 80er-Hits rauf- und runterdudeln, hab ich was aus seinen handwerklichen Roots, seiner Kinderarbeit bei den Jackson Five ausgesucht:

wf

4 Gedanken zu „Der Moonwalker tanzt nicht mehr“

  1. Der Moonwalk wurde übrigens nicht, wie in vielen Artikeln zu lesen war, von Wacko Jacko erfunden, sondern schon im 18. Jahrhundert von dem franzsösischen Pantomimen Jean-Gaspard Deburau und floß später als Modegag in den Mambo-Dance ein.
    Filmisch erstmals in „Kinder des Olymp“ (1945) zu sehen, als ihn Jean-Louis Barrault vorführte. Michael Jackson hatte ihn dann 1983 eigentlich als Performance-Gag zum 25. Geburtstag der Plattenfirma Motown in seinen Song Billie Jean eingebaut und weils die Partygäste witzig fanden, blieb er später dabei.

  2. Man kann ja heute schon die Fragmentierung in einzelne Kultur- und Medienszenen gut mitverfolgen. Kurzlebiger Star-Rummel entsteht im Web fast nur in Verbindung mit einem Skandal oder eben durch die Mini-Hypes auf MySpace, YouTube etc., die kleinen Wellen ebben gleich wieder ab, wenn sie nicht von traditionellen Medien zu Zeitgeist-Memen aufgepäppelt werden (z.B. Amy Whinehouse). Kulturkonservative befürchten ja den Verlust „künstlerischer Werte“ in dieser postmodernen Beliebigkeit, aber wenn man sich den bisherigen Massenkulturmüll incl. Stargehabe so anschaut, kann ich das eigentlich nur als positive Entwicklung sehen. Künstlerische Qualität war immer nur was für Nischen, und die sind nun dank des Internet nicht nur für ein paar Insider zugänglich.
    Aber kleine ‚Szene-Stars‘ wirds wohl auch in Zukunft geben, allein damit die kleinen Mädels ihre Projektionsflächen an die Zimmerwand kleben können ;-)

  3. Wenn mich mein Eindruck nicht täuscht, geht in der ‚lebensweltlichen‘ Kulturadaption seit ein paar Jahren der Trend Richtung Regionalisierung. So ging früher der gemeine Münchner kaum zu Liveacts Münchner Bands, der Star musste schon den internationalen Ansprüchen der Isar-Griller genügen (weil der Prophet im eigenen Lande…), während nun, übrigens mehr noch im ‚provinziellen‘ Umland, der Typ von Nebenan gefragt ist. Vielleicht ist dieses ‚Homing‘ eine dialektische Gegenreaktion auf den unübersichtlichen und ent-individualisierenden ‚Clash of Cultures‘ im Web.
    Ähnliches beobachte ich auch bei Ausstellungen, Lesungen (Thema Regionalkrimis!) u.A., wobei das Publikum sein Geschmacksurteil nicht mehr so sehr an der massenmedialen Vorgabe ausrichtet, sondern nach dem selbstbewussten Motto agiert: „The Star is made by us!“

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