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Wie objektiv können wir sein? – Schnädelbach bei Scobel extra

Denken kann in guten Fällen eine höchst berauschende Droge sein, ein Kick wie ein Stromstoß bei der Begegnung eigener Ideen mit dem ‚Göttlichen‘ im intellektuellen Rausch. Gern zog sich der Mensch dazu auch schon vor langerlanger Zeit psychoaktive Substanzen aus der Natur als Starthilfe rein, etwa in Form des süffigen „Soma“, wie die indogermanischen Nomaden den Urin von Rentieren nannten, die vorher ausgiebig Fliegenpilze verzehrt hatten.
Insofern hatte Gert Scobel einen passenden Ort gewählt, als er für eine „Scobel extra“- Gesprächsreihe zwei Gegenwartsdenker zum angeregten und anregenden Smalltalk in die Historische Halle des Hamburger Bahnhofs einlud, wo der „mad scientist“ Carsten Höller vergangenen Herbst eine „Soma“-Austellung mit lebendem Inventar installiert hatte.

herbert schnädelbach - wiki commonsEiner von Scobels Gästen war Herbert Schnädelbach, der als „Allrounder“ und Vertreter einer „praktischen Philosophie“ zeigt, dass man auch als akademischer Hochkaräter Klartext sprechen kann. Mag vielleicht auch daran liegen, dass er sich im Gegensatz zu manchen seiner Professorenkollegen intensiv mit dem sprachphilosophischen Pragmatismus nach dem linguistic turn beschäftigt hat, nachdem er ursprünglich die Kritische Theorie gelernt und bei Adorno und Habermas promoviert hatte.
Schön streitbar ist er danach geworden und er kritisierte die Universalansprüche der Hermeneutik in seiner Streitschrift „Morbus hermeneuticus“ ebenso wie erkenntnistheoretische Dogmen: die Wahrheit sei diskursiv und immer nur vorläufig abgeschlossen. Besonders als Kulturphilosoph findet er meine Symphatie, indem er (analog zum Mem-Konzept) „Geschichte als kulturelle Evolution“ interpretiert und bei der geistigen Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Veränderungen der Gegenwart für eine kritische Kulturphilosophie plädiert.
Rigoros auch seine Religionskritik, die er an den sieben „Geburtsfehlern des Christentums“ festmacht: an der Erbsünde, der Rechtfertigung als blutigem Rechtshandel, dem Missionsbefehl, dem christlichen Antijudaismus, der christlichen Eschatologie, an dem Import des Platonismus und dem Umgang mit der historischen Wahrheit.

„Wer behauptet, wenn die Menschen nicht an Gott glauben, dann ist die Moral bodenlos, der ist historisch und philosophisch ungebildet. Wir wissen seit Aristoteles, dass die praktische Philosophie, die sich über die Fragen der Gerechtigkeit und des guten, gelingenden Lebens Gedanken macht, auf eigenen Füßen steht.“

Herbert Schnädelbach

Im folgenden, mit aufschlussreichen Filmschnipseln garnierten Gespräch geht’s um die Veränderbarkeit unserer Wahrnehmung (das Soma lässt grüßen), um die Fragwürdigkeit einer vermeintlich rationalen Objektivität und die Grenzen unseres Erkenntnisvermögens.

Beim Anklicken öffnet das Video in einem neuen Fenster – und lasst euch von den Viechern am Anfang nicht irritieren, die sind gerade dabei, Soma zu produzieren…

Zum Video

(Der andere Gesprächsgast war Michael Pauen; über dessen Buch „Was ist der Mensch?“ hab ich hier schon mal a bisserl was geschrieben.)

wf

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