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Musik ohne Grenzen bei „One Shot Not“

Manu Katche

Außer den nur noch sporadischen Aufzeichnungen des „Rockpalast“ gabs im deutschen TV die letzten zwei Jahrzehnte lang kaum noch eine Livemusiksendung, die diese Bezeichnung verdient hätte.  MTV- und Viva-Retortenschrott in pseudojuveniler Aufhübschung aus der kulturindustriellen Pop-Sequenzierung überbrüllten die aus dem Kontrollbedürfnis der Quotenpfurzer abgestellten Alibibeschallungsmaßnahmen, so dass nur die gelegentlichen kleinen Nachtfluchten in die  Jazz Baltica oder ähnliche Festival-Dokus ein wenig musikalisch genießbares Glotzenfutter anboten. Und das auch nur in den stilistischen Grenzen der elitären Avantgarde-Nischen, in die man die paar Jazz-Käuze nach der Geisterstunde schön unauffällig abschieben kann.

Nun könnte man solchen Vögeln natürlich auch zuzwitschern, dass ja schließlich im Internet jeder seine Krümelchen rauspicken kann, aber wie sollte man als einigermaßen ambitionierter und neugieriger Musikliebhaber aus den Abermillionen Musikproduktionen in den digitalen Datenbanken überhaupt was brauchbares Neues finden, wenn man nicht im immergleichen name-dropping zirkulieren will und nicht selber 48 Stunden am Tag im Web rumsuchen kann? Und die allerbesten Stückerl dort oft gar nicht zu hören sind?
Nee, über die veränderten Produktions- und Rezeptionsverhältnisse von Musik und Literatur dank Internet, über Fluch & Segen der allgegenwärtigen und beinah kostenfreien Jedermannkultur soll hier nicht schon wieder räsoniert werden. Stattdessen heute mal ein Lob dem deutsch-französischen Kultursender ARTE, der es mit ‚traditionellen Mitteln‘ (nämlich einer kompetenten Redaktion, öffentlichen Geldern und gehörigem Idealismus) geschafft hat, im musiklischen  Beliebigkeitsdschungel mit „One Shot Not“ eine wöchentlich ausgestrahlte Livemusik-Sendung zu etablieren, über die der Initiator und Musikchef Manu Katché im Interview sagt: „Ich möchte gern „“ wirklich interaktiv – Jazz, Pop und Rock der Urgesteine und die von umwerfenden Künstlern nur so wimmelnde Underground-Szene mischen.“
Klingt gut: ARTE als alternative Livemusik-Plattform ohne stilistische Grenzen mit europäischer Reichweite (fast) ohne Grenzen, zu deren Konzept es auch gehört, die Qualitätslatten der hochkonditionierten Übungssysteme, den ‚guten Geschmack‘ der traditionsbewussten Genrepfleger und die ästhetischen Codizes der ‚Jazzpolizei‘ zugunsten des musikalischen Wagnis auch mal zu unterlaufen.
Klar gibts auf einem derart weiten Experimentierfeld auch Bands in der Show, die vielleicht besser noch eine Zeitlang ihre Garagenwände beschallt hätten, zumal eine Session halt eine Session ist, aber das macht ja auch etwas von dem Reiz aus, dass man nicht mit der immergleichen Erwartungshaltung auf den Einschaltknopf drückt.

Diese Woche war unter Anderen auch der Kameruner Bassist und Sänger Richard Bona zu Gast. Der begann schon als Vierjähriger auf dem afrikanischen Balaon zu spielen, gab mit fünf erste Konzerte, lernte mit elf Gitarre, gründete mit 13 seine eigene Jazzband und spielte seither als echter Crossover-Worldmusician mit innovativen Grenzgängern wie Jacques Higelin, Didier Lockwood, Manu Dibango und Salif Keita, auch mit Jazzern wie Randy Brecker, Pat Metheny, Steve Gadd und – allererste Sahne! –  im Duett mit Bobby McFerrin.
An jenes reicht der Bona-Livemitschnitt von der letzten Jamsession zwar nicht ganz ran, ist eher was Gefälliges und in dieser Perfektion und Glätte nicht unbedingt typisch für „One Shot Not“, aber das Stückerl taugt vielleicht ganz gut als lockere Einstimmung in das Feeling der Sendung:

    Sollte der Eindruck entstehen, ich würde hier statt dauernd bloggerpflichtgemäß rumzukritteln auch gelegentlich Werbung für das SchöneWahre&Gute machen, so ist das völlig richtig und liegt an meiner Schwammerlsucher-Mentalität, mit der man ja auch gern seine schönsten gefundenen Exemplare dem Nachbarn zeigt – und dazu verrat ich auch noch ganz gern die Plätze, wo man die finden kann ;-)

    „One Shot Not“ – internationale Jamsession mit Manu Katché
    – jeden Donnerstag gegen 23 Uhr auf ARTE

    wf

6 Gedanken zu „Musik ohne Grenzen bei „One Shot Not““

  1. Auch bei One Shot Not pflegt man eine gewisse Cliquenwirtschaft, wenn auch weltweit. Von richtig „independent“ kann man da also auch nicht sprechen, aber das gibts wohl eh nur bei den Dorfpunkern auf Stadelpartys. Es wäre allerdings interessant zu wissen, inwieweit die PR-Leute von Plattenfirmen Manu Katche belabern und bei der Auswahl zu One Shot Not mitquatschen. Bei einer Millionen-Einschaltquote werden die wohl schon mal mit dem Scheckbuch wedeln.

  2. Interessant: ARTE führt eine Art ‚Referer-Hitparade‘, wie oft die einzelnen Videos von ihrem Server in anderen Blogs aufgerufen wurden. Und zwar in der Bereitstellungszeit von vier Wochen, länger dürfen die bei den Öffentlich-Rechtlichen momentan nicht angeboten werden. YouTube unterliegt dieser Beschränkung nicht und weil dieses Live-Video aus der Sendung dort dankenswerterweise eingestellt wurde, musste ich nun nach dem Verschwinden des ARTE-Originals den Einbettungscode halt dahingehend ändern.
    Vom ARTE-Server wurde das Video in den 4 Wochen via diesem Blog allein 2000 mal abgerufen, etwa halb so viele wie beim Sender selber und weit vor den anderen europäischen (Musik)Blogs, die es ebenfalls eingebaut hatten – hätt ich nicht gedacht, dass so viele Philo-Leser auf diesen Sound stehen ;-)
    Hier ist der ARTE-Counter: http://liveweb.arte.tv/fr/video/One_Shot_Not___Richard_Bona/#referers

  3. Ich denke von wirklich unabhängig kann man da nicht sprechen. Aber was ist schon wirklich unabhängig, jeder Sänger, jede Band und jede Gruppierung erwartet immer eine bestimmte Gesinnung oder einen bestimmten Stil, das ist ganz normal. Das liegt eben an der persönlichen Einstellung.
    Ich denke nahezu unabhängig sind Gruppen nur dann, wenn sie klein und unbekannt sind. Werden sie größer, so bekommen sie eigentlich immer einen anderen Stil aufgedrückt.

  4. Da stimme ich meinem Vorredner zu. Wenn Bands von ihrer Musik wirklich Leben wollen, müssen sie sich fast immer den Vorgaben von Plattenfirmen, Musiksendern etc. beugen. Musiksender wie MTv oder Viva schau ich mir auch garnicht mehr an, da läuft sowieso nur die ganze zeit der selbe Müll rauf und runter. Ich seh mir Musikvideos wenn überhaupt im Internet an, da kann ich mir mein eigenes Musik-TV mit eigener Playlist nach meinem Geschmack gestalten.

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