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Philosophisches zur Fußball-EM

gunter gebauer

In kaum einem anderen Land genießt der Fußball in Intellektuellenkreisen so hohes Ansehen wie in Frankreich, spätestens seit der philosophierende Amateur-Fußballer Albert Camus bekannte: „Was ich am sichersten über Moral und menschliche Verpflichtungen weiß, verdanke ich dem Sport.“ Und sein langjähriger Freundfeind Jean-Paul Sartre, der Fußball nach der Eintrübung seines Verhältnisses zu Camus angeblich nur noch heimlich schaute, haute den Evergreen raus: „Bei einem Fußballspiel verkompliziert sich allerdings alles durch die Anwesenheit der gegnerischen Mannschaft.“ Und wenns dann mal für die eigene Mannschaft tatsächlich nicht so gut läuft und der gegnerische Fanblock in Spottgesängen frohlockt, kann der existenzialistisch verfasste Fußballfan (und welcher Fußballfan ist das nicht) sich mit Sartes tiefer Einsicht trösten: „Die Hölle, das sind die anderen.“

Nun könnten wir von mancherlei weiteren Qualen aus dieser Hölle berichten, wie Tribalismus, Nationalismus, Rassismus, Körperverletzung, Sexismus, Homophobie, Doping, Sportwettbetrug, Funktionärsbestechlichkeit, Panini-Sammelsucht und anderen unschönen Dingen, die mit dem Fußball auch verbandelt sind. Doch die blenden wir in der Hoffnung auf ein spannendes, faires und terrorfreies Turnier jetzt mal aus und lassen uns die Fußball-Laune auch nicht von George Orwells pessimistischer Sport-Philosophie vermiesen, in der er schon 1938, kurz nach der Berliner Nazi-Olympiade, eine böse Ahnung anklingen ließ: „Ich bin jedesmal erstaunt zu hören, wenn die Leute sagen, der Sport schaffe guten Willen zwischen den Völkern, und wer auf dem Sportplatz zusammentreffe, sei dadurch weniger geneigt, auf einem Schlachtfeld zusammenzutreffen.“
Träumen wir lieber mit Bertrand Russell, dass sich die Menschheit mit Hilfe des Sports auf einem langsamen Weg der Besserung befinde: „Die Instinkte, die früher unsere wilden Vorfahren zur Jagd und zum Fischfang trieben, verlangen nach einem Betätigungsfeld; wenn sie nichts anderes finden können, verwandeln sie sich in Haß und Bösartigkeit. Aber gerade für diese Instinkte gibt es Betätigungsfelder, die frei vom Bösen sind. An die Stelle von Vernichtungskampf kann Wettbewerb und aktiver Sport treten.“

gunter gebauer philosophie des fußballsRechtzeitig zur EM hat nun der Sportsoziologe und Philosoph Gunter Gebauer  eine „Philosophie des Fußballs“ in Buchform vorgelegt (Das Leben in 90 Minuten, Pantheon Verlag München, 318 Seiten). Zwar kein ganz neuer Gedanke, dass sich der Fußball zu einer „Metaphysik der Gegenwart“ entwickelt hat und dabei primär „die unteren Regionen der Psyche“ anspricht, aber Gebauer wills genauer wissen und holt sich zur Unterstützung etliche Top-Kicker mit aufs Spielfeld dieser These. Klar ist auch Sartre mit seiner „Philosophie der Emotionen“ dabei,  auch Max Weber, Michel Foucault, Pierre Bourdieu, Stanley Cavell, Wittgenstein und Nietzsche, Pelé und Zidane – kurze und lange Denk-Pässe in einem amüsanten Wechsel ganz im Sinne des Coaches Albert Einstein: „Man sollte den Fußball so ernst nehmen wie möglich. Aber auch nicht ernster.“
(Eine ausführliche Rezi zum Buch hat Helmut Böttiger in der SZ verfasst.)

So manchem Kommentator der kommenden EM-Spiele könnte es sicher nicht schaden, sich mit Gebauers Buch ein wenig intellektuellen Hintergrund zu verschaffen – von den paar Millionen Heim- & Hobby-Trainern mal ganz abgesehn – auch wenn die Philosophie von Spiel zu Spiel sich ändert, quasi vom Abstrakten zum Story Telling, zur Konkretisierung im Einzelfall, der ja „die Unsicherheit der Existenz zeigen und den Menschen in offene Situationen stellen soll“ (Gebauer). Wenn das eine entscheidende Tor fällt oder eben auch nicht, spielt es für den echten Fan keine große Rolle mehr, auf welcher Basis-Philosophie der Erfolg oder Misserfolg beruhte.
Wer allerdings vor hat, beim Public Viewing mit etwas Bescheidwisser-Lametta zu glänzen, kommt um ein Grundstudium der diversen Spielstil-Philosophien nicht herum; eine Übersicht dazu von Antifussball über Catenaccio bis zu Tiqui Taca findet ihr bei der Spielverlagerung.

wf

Fußball-Europameisterschaft der Philosophen

Da sich bekanntlich alle Philosophen zu allen Zeiten mit dem Konkurrenz-System Fußball auseinandersetzten, ist es nicht verwunderlich, dass sie sich auch mit dessen pragmatischen Aspekten beschäftigten und sich immer wieder mal in corpore aufs Spielfeld begaben. Das bekannteste aller ausgetragenen Spiele (das ihr wahrscheinlich auch schon mal gesehn habt) war sicherlich das Endspiel um die Europameisterschaft der Eternal All Stars zwischen den Griechen und den Deutschen in München. Aber weils bis zum spektakulären und natürlich umstrittenen Schluss so spannend war, haben wir es gern für euch noch einmal augegraben:

 

Monty Python

2 Gedanken zu „Philosophisches zur Fußball-EM“

  1. Ja da schau her, da läuft ja auch der Franz Beckenbauer im Aufgebot der deutschen Denker mit. Ja gut, anscheinend galt er jenerzeit noch als solcher ;-)

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