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Birma’s Buddhisten

Der von den westlichen Medien im Zug des allgemeinen Buddhismus-Hype vielbeachtete gewaltfreie Widerstand der birmanischen Mönche gegen die Militärdiktatur kommt beileibe nicht unerwartet, höchstens unerwartet spät.

biramnischer mönchNach dem gescheiterten Versuch eines ‚buddhistischen Sozialismus‘ unter Premier U Nu nach der Unabhängigkeit besann sich der dortige Theravada auf seine frühere Stärke mit Betonung auf die Elemente unmittelbarer Erfahrung und aktiver Lebensbeteiligung durch ein in Erkenntnis von Dukkha und Anatman begründetem freiem Handeln. Dieser gesellschafts-philosophische Hintergrund des also nach Gautama’s Lehren sehr wohl legitimen Protests wird in den westlichen Medien mit keinem Wort erwähnt.

Mir scheint, man will damit eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der Komplexität der humanistisch-anarchischen Ethik des ursprünglichen Buddhismus vermeiden, weil diese ebenso für andere (unsere!) materialistisch-dogmatische Unterdrückungsstrukturen gefährlich werden könnte.

Petition zur Unterstützung der birmanischen Demokratiebewegung

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9 Gedanken zu „Birma’s Buddhisten“

  1. Frage:
    Ist es Buddhisten nicht untersagt Stellung zur Welt zu beziehen? Also erst recht nicht zu protestieren?
    So wie in der Bibel steht, dass man Untertan der Obrigkeit sein soll, da das Reich ja schliesslich nicht von dieser Welt sei?
    Gruss
    M

  2. Das trifft auf die meisten religiösen Traditionen des Buddhismus zu.
    Doch Gautama’s ursprüngliche Weltanschauung, der das Theravada von allen heutzutage praktizierten religiösen ‚Buddhismen‘ am nächsten steht, ist eine durchwegs agnostische Philosophie ohne Gottesvorstellung und sehr pragmatisch auf die Bewältigung des Leidens in der ‚gelebten‘ Welt ausgerichtet.
    So fordert er im ‚Edlen Achtfachen Pfad‘ die ‚Aufrechte Rede‘ und das ‚Authentische Handeln‘, was gewaltfreien Widerstand sehr wohl beinhaltet.

    Bei tiefergehendem Interesse deinerseits schau mal ins ‚Bücherstüberl‘ oder in meinen älteren Artikel zum ‚Besuch des Dalai Lama‘ hier im Blog.

  3. Habe was gefunden – von vor ein paar Wochen:

    Der Dalai Lama, das geistige und weltliche Oberhaupt der Tibeter, wird nach Ansicht von Michael Zimmermann, Professor für Buddhismuskunde am Asien-Afrika-Institut der Hamburger Universität, aufgrund seines Einsatzes für Gewaltlosigkeit weltweit geschätzt. Allgemein biete der Buddhismus wenig Grundlage für gewalttätige radikale Gruppen.

    Klaus Remme: Der Dalai Lama beginnt heute seinen Deutschland-Besuch, das geistliche und weltliche Oberhaupt der Tibeter wird für zehn Tage Ehrengast sein. Ein Besuch mit erstaunlichem Echo im Vorfeld, allen, vor allem dem Spiegel, ist der Dalai Lama Titel und weitere 14 Seiten wert gewesen. Es kommt ein Mann zu Besuch, über den wir nicht viel wissen und der Umfragen zufolge beliebter ist als der Papst. Am Telefon ist Michael Zimmermann, er ist Professor für Buddhismuskunde am Asien-Afrika-Institut der Hamburger Universität, grüße Sie, Herr Zimmermann.

    Michael Zimmermann: Guten Morgen.

    Remme: Herr Zimmermann, wie ist dieser fast schon Popstar-Status des Dalai Lama zu erklären?

    Zimmermann: Ja nun, ich denke, der Dalai Lama verkörpert einige Eigenschaften, die in vielen von uns bewundert werden, also, allem voran natürlich seine Bescheidenheit, aber natürlich auch sein beständiger Einsatz für Gewaltlosigkeit, das sind Werte, die ja in unserer Gesellschaft, nicht nur in unserer, in allen Gesellschaften, heutzutage fast vom Aussterben bedroht sind. Und ich denke, da werden ganz innere Wünsche in uns angesprochen, die dann eben eine positive Reaktion hervorrufen.

    Remme: Ist Hamburg als erste Station zufällig gewählt?

    Zimmermann: Ich denke nicht. Es gibt in Hamburg das tibetische Zentrum, das auch Organisator dieser Veranstaltungsreihe jetzt in der nächsten Woche ist. Das feiert dieses Jahr sein 30-jähriges Bestehen und ist eine der ältesten und seriösesten Einrichtungen in Bezug auf den Buddhismus in Deutschland, und ich denke, dass das kein Zufall ist, dass der Dalai Lama eine ganze Woche hier in Hamburg verweilt.

    Remme: Ich habe eingangs gesagt, Umfragen zufolge ist er beliebter als der Papst. Ist dieser Vergleich mit dem Oberhaupt der katholischen Kirche aus religionswissenschaftlicher Sicht zulässig?

    Zimmermann: Ich denke, nicht ganz, denn die buddhistische Welt hat unterschiedliche Traditionen, wie sie sich vorstellen kann. Es ist ja nicht nur auf Tibet beschränkt, sondern eine Religion, die in ganz Asien und mittlerweile eben auch in Europa, in Amerika zu finden ist. Es gibt unglaublich viele kleine Gruppierungen, der Dalai Lama sticht heraus als einer der bekanntesten spirituellen Führer innerhalb des Buddhismus, aber er spricht natürlich nicht für alle Buddhisten, sondern nur für eine bestimmte Gruppierung innerhalb Tibets, wobei das natürlich nicht heißt, dass er von anderen buddhistischen Gruppen und Anhängern keine Bewunderung finden würde. Aber sprechen tut er natürlich in erster Linie nur für seine eigene Richtung.

    Remme: Es heißt immer so schnell im Zusatz, das geistige und weltliche Oberhaupt der Tibeter. Sind das getrennte Rollen, die der Dalai Lama da spielt, oder sind das Rollen, die gar nicht voneinander zu trennen sind?

    Zimmermann: Im Moment sind es Rollen, die er beide einnimmt. Aber er hat ja selbst gesagt, dass, wenn es dazu käme – wie wahrscheinlich das ist, ist eine andere Frage, dass Tibet wieder eine Art von Unabhängigkeit erlangen würde -, dass er dann nicht mehr die Rolle des weltlichen Oberhauptes einnehmen würde, sondern dass an eine demokratisch gewählte Regierung abgeben würde.

    Remme: Spätestens seit dem 11. September 2001, Herr Zimmermann, ist ja die Religion wieder ganz oben auf der politischen Tagesordnung angekommen. Welche Rolle spielt denn der Buddhismus im Konzert der Weltreligionen?

    Zimmermann: Ich denke, der Buddhismus ist natürlich weit weniger im Zentrum der Tagespresse, als was wir in den letzten Jahren über den Islam gelesen haben. Es ist schwierig sicherlich, im Buddhismus auch für radikalere Gruppen, die es in dieser Form kaum gibt, für Gewalt einzutreten. Das liegt darin, dass es eine sehr starke Friedfertigkeit von Anfang an im Buddhismus gab, besonders auf den privaten Bereich beschränkt, nicht nur beschränkt, sondern im Zentrum, und das liegt in den historischen Ursprüngen. Ich weiß nicht, ob ich dazu ein bisschen was sagen soll?

    Remme: Ist es denn übertrieben, von einem Desinteresse des Buddhismus an Politik zu sprechen?

    Zimmermann: Desinteresse ist vielleicht zu stark gesagt, aber der Ursprung liegt eben in asketischen Gruppierungen, die aus der Gesellschaft ausgestiegen sind, die Gesellschaft verlassen haben, ihren Beruf aufgaben, Familienbande schnitten, um in abgelegen Regionen Übungen nachzugehen – das ist natürlich nicht gerade eine Voraussetzung, um in der Gesellschaft stehend Politik zu betreiben. Und wenn Sie das mal als historische Grundlage des Buddhismus sehen, ist natürlich erklärlich, dass im Bereich der politischen Staatslehre der Buddhismus von Anfang an nicht besonders interessiert war.

    Remme: Und, Herr Zimmermann, ist dieses apolitische des Buddhismus aufrecht zu erhalten für die Zukunft, oder sieht er sich da Forderungen oder Druck ausgesetzt?

    Zimmermann: Ich würde mal unterscheiden. Politisch bedeutet natürlich nicht unbedingt, dass man einer bestimmten Partei nachfolgen muss. Vielmehr im Vordergrund stehen eher Fragen, denke ich, wie man allgemeinen, politischen Umständen, also, Thema Globalisierung – übrigens das Thema, über das der Dalai Lama auch am Wochenende sprechen wird -, wie man dem entgegentreten kann. Genügt es also, buddhistische Grundsätze auf private Praxis, auf private Übungen zu beschränken, oder muss da nicht auch ein kleiner Systemwechsel, oder sagen wir mit vorsichtigeren Worten, muss man nicht auch strukturell versuchen, in eine bestimmte Richtung zu gehen? Also, nicht parteipolitisch zu verstehen, sondern eher, welche wirtschaftlichen Strukturen wollen wir als Buddhisten? Das ist wohl eher im Zentrum.

    Remme: Und diese Reformvorstöße – wenn es sie denn gibt -, kommen sie im Buddhismus eher von unten, von der Basis, oder werden sie von oben herab praktisch, nicht erlassen, aber doch inspiriert?

    Zimmermann: Wie gesagt, es ist eine sehr dezentrale Form im Buddhismus. Es gibt kein weltliches, kein Oberhaupt innerhalb des Buddhismus, das alle Gruppen vertritt. Deshalb würde ich sagen, ist es eher auf der Basis festgelegt und auch da natürlich von verschiedensten Seiten. Also es gibt Wissenschaftler im Westen, die daran arbeiten, sich Gedanken machen, wie eine realistische buddhistische Staatspolitik aussehen könnte. Es gibt aber auch sehr interessante Ansätze aus Asien, besonders aus Thailand, wo darüber nachgedacht wird, wie moderne Formen des Buddhismus in einem Staatssystem aussehen könnten.

  4. Danke für die Mühe, Multi, sehr interessantes IV.
    Zeigt auch gut die Vielfalt und das Autarkieverständnis des Buddhismus und deutet darauf hin, dass traditionelle Formen in die Erfordernisse einer globalisierten Gesellschaft hineinwachsen könnten.
    Wie ich das sehe, gibt es sowohl im Westen als auch in Asien seit langem eine Entwicklung zu einer agnostisch-buddhistischen Ethik , deren bekanntester Vertreter wohl der Physiker Stephen Hawking ist.
    Interessanterweise hat sich schon bei den deutschen Philosophen Schopenhauer und Nietzsche eine hohe Akzeptanz buddhistischen Denkens geäußert und seit Heidegger (‚Sein und Zeit‘) zu einem intensiven Austausch geführt.
    Doch da beginnt ein äußerst komplexes neues Thema, das einen Blog-Beitrag sprengen würde.

  5. Ha ja – eine agnostische-buddhistische einerseits, aber grundsätzlich (trotz alle Hypes a la Rückkehr der Religionen) auch eine agnostisch-christliche bzw. aufgeklärtere (?) Ethik.

    Ich denke, dass die Ethik nicht zu sehr in den Vordergrund gestellt werden sollte, was die Frage betrifft: Welcher Gott ist der richtige?
    Ich verstehe den Buddhismus – mangels Aussicht auf Paradies und Aussicht auf Gott als Erlöser – eher als eine Philosophie, eine die ganz Schopenhauer, dazu dient das Leid des Seins zu überwinden zu helfen – ohne eine Illusion auf einen Erlöser zu versprechen.

  6. Vor

    den Unruhen schrieb Matthias Messmer, Staatswissenschafter:

    „Als zufälliger, kurzzeitiger Beobachter fällt man bei einem Reisebericht notgedrungen in die Falle des Generalisierens. Doch wie sonst soll man Burmas Eigentümlichkeiten, welche jeglichen Sinn unabwendbar treffen, betören oder gar betäuben, in Worte fassen, wenn nicht durch Begriffe wie Thanaka, Cheroot (Burmas Nationalzigarre), Tuk-Tuk, Irrawaddy oder eben auch Than Shwe? Der Blick bleibt in den meisten Fällen vorerst an der an Seifenblasen erinnernden Schrift des Burmesischen haften. Linguisten wie Laien erkennen darin den ausgeprägten Sinn dieses Volkes für Kunst und Geschicklichkeit. „“ Beim Anblick von Oldsmobilen oder ähnlich betagten Gefährten, die wie auf Kuba keine Altersbegrenzung zu kennen scheinen, brechen nicht nur Autofans in Entzücken aus. Männer in karierten Longyis, dem traditionellen, um die Hüfte geschlungenen Kleidungsstück, weder Rock noch Hose, hängen wie pralle Weintrauben an Bussen, die über holprige, von Löchern übersäte Strassen ins Zentrum der alten Königsstadt Mandalay unterwegs sind. Und immer wieder das Lachen und Winken der Schulkinder auf ihren Fahrrädern dem Fremden gegenüber, bis sie verschwinden hinter der schwarz-russigen Abgaswolke eines selbstgebastelten Lastwagens.

    Auch in den grösseren Städten des Landes fällt das fast völlige Fehlen von Werbetafeln wohltuend auf, mit Ausnahme von solchen für Bier, Shampoo, Seife und „“ eher auf dem Land „“ für Kondome. Eine Genugtuung für konsumstrapazierte, nach Schlichtheit sich sehnende Augen. Hochhäuser sind eine Seltenheit, und die ärgerliche Lärmbelastung durch das unvermeidliche Mithören von Mobiltelefongesprächen fällt in Burma dahin, ganz einfach weil es kaum eine schnurlose Telefonverbindung gibt. Hier spielen Kinder noch mit einfachsten Spielzeugen, vielleicht mit einem längst von einem Fahrradfahrer aufgegebenen Reifen, den sie gekonnt mit einem Holzstecken kontrollierend neben sich her rollen lassen. Oder sie stehen abends mit riesigen Augen vor einem kleinen Karussell und schauen den Pferdchen und Schweinchen nach, die in der feucht-schwülen Nacht müde, aber freudig ihre Runden drehen. Bei Stromunterbruch geben sie manchmal vorzeitig den Geist auf. Strassenbeleuchtung gibt es ohnehin selten, dafür Löcher in den Strassen, die das Gehen nach Einbruch der Dunkelheit nicht unbedingt zur Selbstverständlichkeit machen.

    Besser, man vertraut sich in Mandalay einem Fahrradfahrer an, dessen kurioses Gefährt zwei enge Beisitze aufweist, wobei der eine nach hinten, der andere nach vorne schaut. Mühelos findet der an einer Strassenecke auf Kundschaft wartende Muslim die von den Fremden meistbesuchten Plätze seiner schachbrettartig angelegten Stadt: zum Beispiel «Marie-Min», das vegetarische Restaurant des katholischen Inders (mit Papst- und Jesusbild vor Elektro-Ventilator) oder das Kleintheater der Moustache-Brüder, die sich mit ihren Politsatiren im Rahmen einer «a-nyeint» (der traditionellen, variétéähnlichen Volksoper mit Musik, Tanz und Sprüchen) in aller Welt beliebt, beim eigenen Regime verhasst gemacht haben.

    General Than Shwe ist „“ zumindest in der Zeitung „“ allgegenwärtig, für Burmesen aber doch nicht von enormer Wichtigkeit. Auf einer Titelseite von «The Light of Myanmar» begrüsst der grimmig dreinblickende Militär seinen Ministerpräsidenten anlässlich von dessen Rückkehr aus China nicht weniger als viermal (zweimal mit Bild). Das an fast allen touristischen Orten des Landes verkaufte Buch von George Orwell «Burmese Days» erscheint demnach wie eine versteckte Anspielung auf den gegenwärtigen Zustand der Regierung: Korruption ist das Hauptthema seines Romans aus der Kolonialzeit.

    Bilder und Töne
    Bilder und Töne prägen sich einem unbefangenen Reisenden in Burma leichter ein als anderswo, auch wenn sie unvollständig bleiben, bleiben müssen: das rhythmische Schlappern der Sandalen tragenden Bevölkerung; rot gekleidete Mönche, die im Morgengrauen andächtig auf die Reisausgabe warten; die hellen Klänge der sich im Tropenwind hin und her bewegenden Glöcklein an den Stupas von Klöstern und Pagoden; das gleichmässige Hämmern der Buddhafiguren meisselnden Handwerker und Goldblättchen verarbeitenden Meister; oder das rituell anmutende Spucken der Betelnusskauer, die dadurch gewollt oder ungewollt einen roten Flecken ihres Daseins auf dem Boden hinterlassen. Seit Jahrhunderten. Und niemand stört sich daran.

    In der Erinnerung an die Reise taucht eine ältere, grazile Dame mit Strohhut auf, die, statt sich auf einen Stock zu stützen, eine weisse Orchidee gleich einer Kerze balancierend in der Hand hält und sich damit langsam, aber sicher über die stark befahrene, vom Staub bedeckte Strasse begibt. Ein Bild berührender Ästhetik, vielleicht weil es die Einheit von Sein und Schein in einem einzigen Moment auszudrücken vermag. Burmesinnen streichen sich mit einer ähnlich unverwechselbaren Echtheit Thanaka auf ihre Wangen, eine Art biologisches Make-up aus Sandelholzpaste. Manchmal geschieht es in der Form eines Baumblattes, häufiger aber ohne besondere Muster. Sie kokettieren damit nicht, denn sie wissen, dass der Aufstrich ihnen einen natürlichen Hauch von Erhabenheit verleiht. Wie das selige Gesicht eines Buddhas in der dunklen Ecke einer vom Verfall bedrohten Pagode in den Ruinen von Bagan. Szenen und Eindrücke, die beim Abendländer unweigerlich Glücksgefühle auslösen, vielleicht weil das Sakrale und das Alltägliche in Burma so eng zusammenliegen.

    Randregionen und Minderheiten
    Burmas grösste Herausforderung unmittelbar nach der Unabhängigkeit des Landes bestand darin, ein gemeinsames Fundament für die zahlreichen Minderheiten und ihre verschiedenen Interessen zu bauen. Burmesen machen knapp 70 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Der Rest verteilt sich auf Völkerschaften wie die Chin, die Kachin, Kayin (auch Karen genannt), die Shan oder die Mon. Diese Volksstämme leben häufig in Grenzregionen, die teilweise nur sehr schwer zugänglich sind. Blätterte man als Kind in Erdkundebüchern, hätte man sie wahrscheinlich unter dem Eintrag «Eingeborene» oder gar «Wilde» gefunden. Einige, wie die Wa im Goldenen Dreieck im Grenzgebiet zwischen Burma, Thailand und Laos, leben seit Jahrzehnten vom Opiumanbau. Anfangs zu medizinischen Zwecken, im Laufe der Öffnung von Handelsrouten für den Drogenexport. Schuldige ausfindig zu machen, ist einfach, die Netzwerke der Entwicklungsgeschichte von der Mohnpflanze zum Heroinkonsum zu enthüllen, schwieriger. Seit einigen Jahren erlaubt die Regierung Ausländern in beschränktem Masse, jene früher gesperrten Gebiete zu besuchen.

    In einem abgelegenen Dorf unweit der beschaulichen Stadt Kengtung im östlichen Shan-Staat treffen wir auf Frauen vom Stamm der Akha. Schätzungen über die Anzahl der Angehörigen dieses Bergvolkes, eines der ärmsten der Welt, reichen bis hin zu 1,8 Millionen. Ausser in Burma leben sie in China (dort als Hani bekannt), Thailand und Laos. Bevor westliche Missionare in diesen Gebieten tätig wurden, hingen die meisten Akha animistischen Religionen an. Heiden wurden sie verächtlich genannt, ein Stigma, mit dem jene, die sich nicht haben christianisieren lassen, noch immer zu leben haben. Ob gut oder schlecht, nun werden hier auch Ostern und Weihnachten gefeiert. In einer Holzkirche liegt die Bibel in der Akha-Sprache auf, herausgegeben von der Thailand Bible Society.

    Sprecher von Akha-Organisationen im Ausland werfen Missionaren vor, die Kinder von Akha mit Geld von ihren Eltern wegzulocken und sie dann zwangsweise zu konvertieren. Skeptisch betrachten uns die Männer aus der Ferne, derweil die in farbenfrohen Gewändern gekleideten Frauen zu plaudern beginnen: über die guten Zeiten, als sie den Engländern beim Strassenbau halfen, dafür aber, wenn auch bescheiden, bezahlt wurden. Die meisten tragen ihre traditionellen schwarzen Mützen mit kleinen Schellen und Silbermünzen, darunter solche mit der Prägung von König George VI oder der Aufschrift «République Franí§aise 1905».

    Die durchschnittliche Lebenserwartung der Bewohner in diesem Dorf ist ungefähr 45 Jahre. Sie leben als Bauern, halten Schweine und Wasserbüffel und betreiben Wechselwirtschaft mit Reis, Weizen, Bohnen und anderen Gemüsesorten. An den Bambus- und Strohwänden der auf Pfählen gebauten Holzhäuser hängen Plakate zur Vorbeugung der Vogelgrippe. Dankbar nehmen die Dorfbewohner einfache Arzneimittel als Gastgeschenke an. Hier in diesem Dorf liegt eine archaische Welt irgendwie idyllisch und doch melancholisch vor uns, neben uns, in den Hütten ihrer Bewohner. Die Grenze zu China und Thailand ist nahe. Man weiss um die Bedeutung von Stromgeneratoren, selbst was Satellitenschüsseln sind. Sie bringen einem Bilder vom Leben in einer anderen Welt. Hoffnungen und Wohlstand. Aber auch viel Leid. Vor einigen Jahren wurden Dutzende junger Menschen zu Grabe getragen. Sie suchten das Glück in ebenjener Ferne. Zurück brachten sie Aids und einen unnatürlichen Tod.“

    Irgendwie doch „heile Welt“?

  7. Interessante Hintergrund-Beleuchtung.
    Wer, nachdem für die westlichen Medien in Birma „nix mehr los ist“, auf dem Laufenden bleiben möchte, kann ja ab und an in die weltweit erscheinende online-Ausgabe der Dissidenten-Zeitung „Irrawaddy.org“ reinschaun – auch mit ähnlichen Berichten abseits der Großstädte und der zu uns dringenden Informationen.

  8. „Wenn du Buddha auf dem Weg begegnest, töte ihn – Das wahre Gedankengut der philosophischen Lehre des Buddhismus“

    Dzongsar Jamyang Khyentse, Oberhaupt des angesehenen Dzongsar-Klosters und provokativer Lehrer, vermittelt auf erfrischende Art und Weise die Essenzen des Buddhismus in seinem Buch Weshalb Sie kein Buddhist sind

    Viele Menschen assoziieren Buddhismus mit Frieden, Meditation und Gewaltlosigkeit und sein Aushängeschild ist das friedvolle Lächeln des Dalai Lama. Obwohl Gewalt bei der Verbreitung des Buddhismus wahrhaft niemals eine Rolle gespielt hat, kennzeichnet weder das eine noch das andere diese philosophische Lehre.

    Ein weiterer großer Irrtum besteht vielfach im Glauben, Buddhismus sei eine Religion und Buddha deren „Gott“. Doch nicht die Person des Buddha wird von seinen Anhängern verehrt, sondern vielmehr die Weisheit, die diese Person lehrte, was sogar heute noch manchen Buddhisten zu der provokativen Aussage verleitet: „Wenn du Buddha auf dem Weg begegnest, töte ihn.“ Dies ist natürlich nur im übertragenen Sinne gemeint und hat die Quintessenz zum Inhalt, dass der reale Buddha „kein äußerlich existierender Erlöser ist, der an Raum und Zeit gebunden ist.“

    Buddhismus ist weder religiös noch theistisch, Buddhisten sind nicht die Anhänger eines Mannes namens Buddha.

    Was also zeichnet einen Buddhisten aus?

    Auch „wenn er in seiner Essenz recht einfach ist, lässt sich der Buddhismus doch nicht so leicht erklären. Er ist von einer fast unbegreiflichen Komplexität, Weite und Tiefe.“

    Dzongsar Jamyang Khyentse, einer der kreativsten und innovativsten Lamas des tibetischen Buddhismus, versucht in Weshalb Sie kein Buddhist sind den Inhalt dieser über 2500 Jahre alten Philosophie aufzuzeigen, zu beleuchten und zu erklären. Und das tut er auf äußerst unterhaltsame, gut verständliche, aber keineswegs oberflächliche Art und Weise.

    Herausgekommen ist ein tiefgründiges kleines Kompendium, in einer hervorragenden Übersetzung von Maike und Stephan Schuhmacher, welches dem buddhistischen Laien, gleichwohl wie dem bereits mit dieser Philosophie vertrauten Leser einen Anstoß geben kann, seine „Sicht der Dinge“ zu analysieren, zu überdenken und vielleicht gar zu ändern.

    Alles was der Autor darlegt ist logisch und tiefgründig analysiert bzw. entspringt einer jahrtausendealten Weisheit und weltlichen Wahrheit – der „Botschaft der vier Siegel“. Diese sind weder Erlasse noch Gebote und haben nichts Moralisches oder Rituelles.

    Sogar ein Fan von Eminem oder Paris Hilton, meint Dzongsar Jamyang Khyentse scherzhaft, kann ein Buddhist sein. Und selbst solch ein skeptischer moderner Wissenschaftler wie Albert Einstein hat dem Begründer des Buddhismus – dem indischen Prinzen Siddhartha Gautama – Respekt und Bewunderung gezollt.

    In separaten Kapiteln widmet sich der Autor der Erläuterung jeweils einer der vier Wahrheiten („Siegel“) des Buddhismus, die nüchtern gelesen wohl den Wenigsten verständlich sind, aber trotzdem das Wesen des Buddhismus ausmachen:

    Alle zusammengesetzten Dinge sind vergänglich
    Alle Gefühle sind Schmerz.
    Alle Dinge haben keine eigenständige Existenz.
    Nirvana ist jenseits von Konzepten.

    Aber wenn Khyentse die Vergänglichkeit alles Zusammengesetzten (das erste Siegel) anhand des schrecklichen Tsunamis im Jahre 2005 in Indonesien o der der Schönheit eines Vogue-Models aufzeigt, wird für den modernen Menschen leicht verständlich, dass zum Beispiel Verfall auf der einen sowie eine ausschließlich im Auge des Betrachters liegende Schönheit auf der anderen Seite, Faktoren sind, die vergänglich sind.

    Ein ausführliches Kapitel ist in diesem Buch den Gefühlen und dem Leiden – der zweiten Wahrheit des Buddhismus – gewidmet. Dzongsar Jamyang Khyentse geht der unermesslichen Vielfalt der Gefühle tiefgründig auf den Grund.

    Bereits Matthieu Ricard befasste sich in seinem neuesten Buch „Glück“ mit diesem Thema. Beide Bücher ergänzen sich kongenial. Wobei das vorliegende Werk sozusagen die Grundbestandteile der Buddhismus erläutert und Ricard tiefer in einzelne Ebenen eindringt.

    Fälschlicherweise wird vielfach angenommen, dass Buddhismus etwas mit dem Hintersichlassen von materiellen Werten zu tun hat. Aber nicht das ist die Grundessenz eines Buddhisten, „sondern die Fähigkeit, die üblichen Anhaftungen an diese Welt und uns selbst zu erkennen und dem Anhaften zu entsagen.“ Eine Philosophie, die wahrhaft einer tiefere Überlegung wert ist.

    Und nicht die Frage nach dem Sinn des Lebens sollte man einem Buddhisten stellen, sondern „Was ist Leben?“

    „Weshalb Sie kein Buddhist sind“ bietet einen allumfassenden Einblick in die Grundlagen der buddhistischen Sicht.

    Dzongsar Jamyang Khyentses Anliegen ist es, „lieber mehr als wenig zu vermitteln, lieber alles anstatt ein wenig.“ Das birgt natürlich immer die Gefahr des Oberflächlichen, des mit zu viel zu wenig Erreichtem. Jedoch hebt sich dieses kleine Büchlein wohltuend von jeglicher New-Age-Esoterik ab. Vielmehr zeigt Khyentse, dass die buddhistischen Lehren keine „grandiose intellektuelle Philosophie sind, die man liest und ad acta legt, sondern eine zweckmäßige, logische Sichtweise, die von jedem einzelnen Menschen praktiziert werden kann.“

    Völlig realistisch schlussfolgert er, dass der Buddhismus „sicherlich nicht die Antwort auf alle irdischen Probleme und sozialen Ungerechtigkeiten der Welt“ ist, und man als Buddhist nicht die Mission bzw. die Pflicht hat, den Rest der Welt zum Buddhismus zu bekehren, aber er lädt den Leser ausdrücklich ein, alles in diesem Buch gelesene genau zu untersuchen.

    Fazit:

    Dzongsar Jamyang Khyentse stellt das Herzstück der buddhistischen Philosophie in einer alltäglichen, aber keineswegs oberflächlichen Weise dar: eine vergnügliche Auffrischung unseres Wissens und eine hervorragende Einführung in den Buddhismus – auch für Leser, die nicht unbedingt „Buddhisten“ sein wollen.

    Durchaus glaubhaft und äußerst wohltuend erreicht er durch seine unkonventionelle Art Menschen aus allen Lebensbereichen, ohne absolutistisch oder missionierend daher zu kommen.

    Dzongsar Jamyang Khyentse: Weshalb Sie kein Buddhist sind
    Originaltitel: What makes you not a Buddhist
    Windpferd Verlagsgesellschaft (September 2007)

    Hat er Recht mit seiner Einschätzung??

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