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Wo ist das Weltall zu Ende?

Hubert Reeves

Hubert Reeves erklärt seiner Enkelin und uns das Universum

Die Menschheit tastet sich immer weiter voran in die unendliche Weite des Weltalls, nun traf eine von der Erde aus gesteuerte Sonde nach 10 Jahren Anflugszeit sogar schon einen Felskrümel in 500 Millionen Kilometern Entfernung, gut dreimal so weit weg wie die Sonne, und doch ist das in astronomischen Dimensionen noch nicht mehr als ein Schritt in unseren Vorgarten. Die menschliche Vorstellungskraft reicht über die phänomenologisch erfassbare mittlere Skalierungsebene, in der wir uns bewegen, nicht wirklich hinaus, weder ins ganz Kleine noch ins ganz Große, und mal ganz ehrlich, liebe Eltern und Großeltern: Könnt ihr die neugierigen Fragen eurer Kinder und Enkel einigermaßen sinnvoll beantworten, wenn ihr gemeinsam in den Nachthimmel blickt?

Woher kommen die Kometen und warum haben sie einen Schweif? Wie weit sind die Sterne eigentlich von uns entfernt, wie alt sind sie und was war vor dem sogenannten ‚Urknall‘? Was haben die Kometen, Sterne und Schwarzen Löcher dort oben mit der Geschichte unserer eigenen Existenz zu tun? Gibt es Außerirdische und möglicherweise sogar mehrere Universen? Und überhaupt: wie funktioniert das Alles und wer hat das in Gang gebracht? Das sind Fragen, die nicht nur Kindern in den Sinn kommen; wer nachts den Blick in den bestirnten Himmel über sich richtet, dem wird wohl wie Immanuel Kantdas Gemüt erfüllt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt.

Und so begannen schon vor mehr als 5000 Jahren die alten Chinesen, Babylonier, Inder und Ägypter, die erstaunlichen Geschehnisse am Himmel zuerst durch Mythen, sodann mit Beobachtungen zu deuten; deren Aufzeichnungen wurden zur Grundlage der ersten Kalender und der altgriechischen Kosmologie, die den Prozess der Rationalisierung vorantrieb. Denn auch die ersten Philosophen waren Astronomen, die nach gesetzmäßigen kausalen Zusammenhängen suchten und die Himmelsobjekte als physikalische Phänomene betrachteten. Dabei hatte schon der Vorsokratiker Anaximander  die Idee eines Multiversums als Hort einer unendlichen Zahl von Welten, von denen unsere Welt nur eine sei, die sich abgespalten und ihre Teile durch Drehbewegung gesammelt habe; ähnlich dachten die Atomisten Demokrit und Anaxagoras, während in Platons Vorstellung die Himmelsobjekte mit Verstand ausgestattete göttliche Wesen waren, mit der Erde als ruhende Kugel im Zentrum. Und in Gang gebracht wurde das Ganze laut Platons Schüler Aristoteles von einem ersten unbewegten Beweger. Das darauf aufbauende Geozentrische Weltbild des Ptolemäus  hielt sich bekanntlich bis zur Kopernikanischen Wende, und erst mit den ständigen Verfeinerungen der Beobachtungs-Instrumentarien sowie der Physik/ Mathematik wurde schließlich unsere heutige (natürlich ebenfalls vorläufige) Vorstellung des Kosmos entwickelt, von der nun der kanadische Astrophysiker Hubert Reeves in seinem Büchlein „Wo ist das Weltall zu Ende?“ erzählt.

Hubert ReevesDazu hat Reeves das bewährte didaktische Setting des Frage-Antwort-Dialogs gewählt, in dem seine 14-jährige Enkeltochter die wissenshungrige Fragestellerin gibt, während er in der vorgestellten Manier von Victor Hugos „Die Kunst, ein Großvater zu sein“ als wohlwollender und pädagogisch behutsamer Welt-Erklärer im Plauderton auftritt (der allerdings manchmal etwas hölzern wirkt, gell, liebe Übersetzerin).
Durch diese Dialogform sind auch komplexere Sachverhalte in kurze Kapitel portioniert, die logisch aufeinander vom Einfachen zum Schwierigeren aufbauen und so den gegenwärtigen Stand unserer Bemühungen, den Geheimnissen des Universums auf die Spur zu kommen, Schritt für Schritt nachvollziehbar machen.
Reeves erzählt von der Geschichte unseres Universums („in die Ferne blicken heißt in die Vergangenheit zu blicken“), von Sternen und Meteoriten, von der Sonnenenergie durch kontrollierte Kernfusion, von großen und kleinen Schwarzen Löchern, dunkler Materie und dunkler Energie, von den Strukturen der Natur und den pysikalisch-chemischen Voraussetzungen zur Entstehung des Lebens, das dennoch bisher unerklärlich bleibt.

 

Als ‚Zeugen‘ für all die wissenschaftlichen Entwicklungsschritte lässt Reeves illustres Personal auftreten wie Ikarus und Dädalus, Platon und Aristoteles, Galilei, Pascal, Newton, Leibniz, Voltaire, Pasteur, Einstein und Andere, wobei er en passant auch auf Angelegenheiten der Philosophie, Poesie und Religion zu sprechen kommt; die titelgebende Frage muss Reeves dabei natürlich ebenso offen lassen wie die nach der Zukunft unseres Weltalls, einem möglichen Multiversum oder einem ALLerfüllendem Sinn. Aber darüber müsse man sich ja nicht grämen, denn „Das Faszinierende an der Erforschung des Universums ist, dass man auf alles gefasst sein darf. Selbst auf Dinge, die völlig unvorstellbar erscheinen.“

Mir scheint dieses gut 140-seitige Büchlein nicht nur als naturwissenschaftliches Erklärprojekt für Jugendliche zu taugen, sondern es lässt sich wohl zumindest teilweise schon von jüngeren Kindern verstehen; zumal man die kurzen Einzelkapitel auch mit Kindern gemeinsam als Gutenacht-Geschichten in Fortsetzungen lesen kann – und wahrscheinlich werden auch die meisten Eltern und Großeltern, die Interesse an einem leicht verständlichen und gleichzeitig fundierten Einstieg in die Fragen der Kosmologie haben, von dieser Lektüre profitieren.

Ich jedenfalls guckte danach wieder mal lange in den Nachthimmel und mein Gemüt wurde erfüllt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht von der Vorstellung, dass aus Sternenstaub sowas wie das Gefühl der Liebe entstehen konnte…


2 Gedanken zu „Wo ist das Weltall zu Ende?“

  1. ja, eine hübsche Vorstellung, dass die Liebe aus Sternenstaub entsteht – und auch umgekehrt: dass jede Liebe wieder zu Sternenstaub wird und sich so in einem ewigen Kreislauf erhält :-)

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