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Spiritualität und intellektuelle Redlichkeit – Ein Versuch von Thomas Metzinger

„Wir fühlen, dass, selbst wenn alle möglichen wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind, unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt sind. Freilich bleibt dann eben keine Frage mehr; und eben dies ist die Antwort.“

Ludwig Wittgenstein

Dieses Wittgenstein-Zitat findet sich auch in Thomas Metzingers Essay über „Spiritualität und intellektuelle Redlichkeit“, den er, wie er schreibt, „als eine Art Epilog zum Ego-Tunnel“ verfasst hat, als ein „erläuterndes Nachwort, möglicherweise auch als Anfangspunkt für einen ganz neuen Gang der Überlegung“.
Mit diesem „neuen Gang der Überlegung“ meint Metzinger wohl seine hier aufgeworfene Frage, ob es „ein modernes spirituelles Selbstverständnis geben kann, das den veränderten Bedingungen Rechnung trägt und mit dem (nicht nur für Philosophen wichtigen) Wunsch nach intellektueller Redlichkeit in Einklang zu bringen ist?“

Thomas Metzinger

Thomas Metzinger

Nun scheint mir das zwar ein wenig überschießend hinsichtlich der in seinem Buch „Der Ego-Tunnel“ aufgestellten Thesen zu sein, über die ja hier ebenfalls schon kontrovers diskutiert wurde. Aber dieses leicht sprunghafte Weiter-Assoziieren ist eben auch typisch Marke Metzinger, der immer wieder die ethischen, kulturellen und sozialen Konsequenzen der zeitgenössischen „Philosophie des Geistes“, der Bewusstseinsforschung in Verbindung mit den Neuro-Wissenschaften und der Anthropologie, in den öffentlichen Diskurs stellt.
Und sich dabei nicht scheut, für eine interdisziplinäre Öffnung und für eine populärwissenschaftlich verständliche Präsentation seiner Forschungs- und Denkergebnisse einzustehen.
Konsequenterweise hält sich Metzinger also auch in diesem Essay von fachphilosophischer Terminologie und manchen damit verbundenen (Un-)Tiefen weitgehend zurück, auch wenn das manchem traditionell orientierten Philo-Kollegen ein Graus sein mag…
Dafür unterstützt er sein Gedankenspiel mit Referenz-Schnipseln von Kant, Wittgenstein, Friedrich Nietzsche, Karl Popper, Jiddu Krishnamurti und anderen, denen Metzinger Denk-Aspekte zu einer „säkularisierten Spiritualität“ abgewinnen kann.

Metzingers Essays scheint mir durchaus lesenswert, vielleicht auch geeignet für einen fortgeschritteneren Ethikunterricht oder Diskussionsrunden in „Philosophischen Cafés“, weshalb ich euch diesen knapp 40-seitigen Text hier gern komplett in einem scrollbaren IFrame präsentiere (nach Link-Hinweis von Björn Eriksson, danke!).

Und ich find’s prima, dass Metzinger mit der Open Acces – Veröffentlichung dieses Essays auch in der Diskussion um Urheber- und Leistungsschutzrechte ein positives Zeichen setzt, denn er hat den Text unter der Creative Commons Attribution – NonCommercial – NoDerivs 3.0 Germany License lizensiert – die Weiterverbreitung ist also problemlos möglich (ein druckfähiges PDF findet ihr unter dem Frame).

Spiritualität und intellektuelle Redlichkeit – Ein Versuch von Thomas Metzinger

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Thomas Metzinger hat diesen Essay auch in die Form eines Vortrags umgearbeitet, den er am Philosophischen Seminar der Johannes Gutenberg-Universität Mainz als Grundlage für eine Diskussion gehalten hat. Wer lieber hören mag als lesen, sei also hiermit bedient (insgesamt 6 Teile):

wf

7 Gedanken zu „Spiritualität und intellektuelle Redlichkeit – Ein Versuch von Thomas Metzinger“

  1. Ich habe den Text gelesen und bedanke mich für diese Gelegenheit, Metzinger von einer ganz anderen Seite kennenzulernen, als ich ihn von seinem „Ego-Tunnel“ her kennengelernt habe. Tatsächlich fällt es mir schwer, diesen äußerst gehaltvollen und der globalen Situation des Menschen sehr angemessenen und differenzierten Text mit jenem Buch in Einklang zu bringen. Eigentlich gelingt es mir überhaupt nicht. Zum „Ego-Tunel“ habe ich alles Nötige gesagt. Aber das, was Metzinger in diesem ‚Epilog‘ als „intellektuelle Redlichkeit“ beschreibt, kann ich nur 100% unterschreiben. Deshalb nur diese Anmerkung: Ist es wirklich so, daß die Notwendigkeit, „sich einfach und allgemeinverständlich“ auszudrücken, immer wieder auf Kosten der intellektuellen Redlichkeit gehen muß, wie im „Ego-Tunnel“? Der vorliegende Text beweist das Gegenteil.

    1. Hab ich ähnlich empfunden, Detlef, auch wenn mir manche Ausführungen, etwa zum Themenkreis „Gott – Erleuchtung – Agnostizismus“, ein wenig dürftig bzw. arg trivial erscheinen. Aber es ist halt „nur“ ein Essay.
      Und dass man sich klar ausdrücken kann ohne die „intellektuellen Redlichkeit“ zu verlieren, gelingt ja nicht nur Metzinger hier, sondern es bemühen sich wie mir scheint zunehmend mehr ‚Fachphilosophen‘ um allgemeine Verständlichkeit – der späte Wittgenstein, Popper, Dewey und Rorty zeigen auch im ‚alten‘ Europa langsam „sprachpragmatistische“ Wirkung ;-)

  2. Ich lese gerade ein Buch über „Biohacking“ („Gentechnik aus der Garage“), das eine neue Generation von Hackern á la Steve Jobs, Bill Gates etc. beschreibt. Dabei geht es um Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten und Lebensaltern, „die noch nie akzeptieren konnten und wollten, dass Expertenwissen und Hochtechnologie nur in den Händen von politischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Eliten gut aufgehoben sein sollten“. Mit anderen Worten: sie nehmen ihren Verstand in die eigenen Hände; sie lassen sich diesen Verstand nicht vom Expertfachjargonwissen enteignen. Im Grunde fühle ich mich als Blogger selbst als so etwas wie ein Hacker: ein Philosophie-Hacker. Es geht darum, aus dem Denken etwas zu machen, das die Akademiker für unzulässig halten: also etwas Eigenständiges. Verbunden mit einem Schuß von Verantwortung fürs Allgemeine. „“ Sorry für diesen Erguß: aber das wollte irgendwie schon länger mal aus mir raus.

  3. @Detlef Zöllner
    Nun, da nachgewiesenermaßen Expertenwissen und Hochtechnologie noch nicht einmal in den Händen politischer, wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Eliten gut aufgehoben ist, was wäre nun zu erwarten von jenen, welche der Auffassung sind, sie machten Eigenständiges aus jenem Denken, da ein solches deren Überzeugung nach von Akademikern für unzulässig erklärt worden wäre? – Ein weiterer Erguss, z. B. in Form von Atombomben in Supermarktketten für den täglichen Hausgebrauch, verbunden mit einem Schuss von Verantwortung fürs Allgemeine ;-)

  4. @be
    Ich gebe zu, daß diese Möglichkeit besteht. Aber Geheimwissen in Expertenhänden, und der akademische Fachjargon ist eine andere Art von Geheimwissen, unterscheidet sich kaum von der Einstellung von Machthabern, die freies Denken beschränken möchten. Auch der Einsatz von Propaganda bzw. Werbung dient vor allem dazu, die Leute am Denken zu hindern. Habe ich die Wahl zwischen einem System, in dem Wenige für die Vielen entscheiden, was für alle angeblich gut ist, und einem System, das den Individuen die Freiheit läßt, ihr Leben selbst zu bestimmen, ziehe letzteres vor. Dazu gehört Kants Aufklärungsformel: Habe den Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen. Warum ‚Mut‘? Weil es nicht nur darum geht, sich angemaßten Autoritäten nicht zu beugen, sondern auch vor sich selbst ehrlich zu sein. Zu diesem Verstandesgebrauch gehört die Selbstbegrenzug, nämlich zu wissen, daß dieser Verstand Grenzen hat. Alles das gehört wiederum zur intellektuellen Redlichkeit, von der Metzinger spricht. Wer seinem eigenen Denken gegenüber nicht kritisch ist, ist intellektuell nicht redlich. Und mutlos.

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