Gerade ging das 50. Jazz Festival von Montreux zu Ende und eine Viertelmillion Besucher konnte wieder gut zwei Wochen lang eine Weltstar-Parade aus Jazz, Blues, Rock, Pop und Latin erleben, mit den Höhepunkten eines gemeinsamen Auftritts von Herbie Hancock, John Scofield, Brad Mehldau und John McLaughlin sowie einer exquisiten Brazil Night. Dabei stand diese Mischung, dieses In- und Nebeneinander verschiedener Musikstile, fast von Anfang an unter Kommerzverdacht seitens der Jazzpolizei, die den ‚Supermarkt-Charakter‘ des Festivals kritisierte.
Tatsächlich konnte der Begründer und jahrzehntelange Leiter des Festivals, Claude Nobs, dieses Event überhaupt erst Dank seiner Funktion und Ambitioniertheit als stellvertretender Direktor des Fremdenverkehrsvereins von Montreux auf die Beine stellen, mit einem Wachstum von einem anfänglichen Minibudget von 10.000 SFr für drei Konzertabende im Casino auf nunmehr über 30 Millionen SFr Etat für 17 Bühnen, darunter das Auditorium Stravinski, die Miles Davis Hall und die kleineren Locations des Off-Festivals. Aber um so etwas hinzubekommen, reichen natürlich kein noch so gutes buchhalterisches Kalkül eines Touri-Managers und die märchenhafte Lage an der Schweizer Riviera, zwischen dem Genfer See und den Alpen. Dazu brauchte es vor Allem Musikenthusiasmus, überzeugendes Networking und die Energie des omnipräsenten Tausendsassas, wie ihn Claude Nobs verkörperte. Der wahrscheinlich auch der einzige Veranstalter ist, der in einem Welthit mit Nennung seines Vornamens verewigt wurde, nämlich als „Funky Claude“ in Deep Purples „Smoke on the Water„, das ja 1971 bei Aufnahmen in Montreux entstand, nach dem dortigen Casinobrand, bei dem Claude Nobs zum Retter vieler Konzertbesucher wurde.
Nach Nobs‘ Unfalltod Anfang 2013 übernahm Mathieu Jaton die Leitung des Festivals und führt es in dessen Geist weiter: „Wir teilen einfach die Musik. Wir mixen die Künstler. Wir befreien die Musik. Wir bringen zum Beispiel Hip-Hop und Blues zusammen. All die Jungs kommen hierher und teilen ihre Musik. Das ist der freie Geist des Jazz und die Idee von Montreux.“
![Festival-Plakat 1982 von Jean Tinguely](https://i0.wp.com/oxnzeam.de/wp-content/uploads/2016/07/Plakat-Jean_Tinguely.jpg?resize=249%2C360&ssl=1)
Festival-Plakat 1982 von Jean Tinguely
Die Geschichte und Atmosphäre des Festivals wurde zum Jubiläum in einer sehens- und hörenswerten ARTE-Doku vom 16.7.2016 nachgezeichnet (online zu sehen bis zum 6.8.).
Das Erfolgskonzept von Montreux hat auch viele andere große und kleine Jazz-Festivals in ganz Europa beeinflusst, so dass es kaum noch welche gibt, die sich allein dem pure Jazz verpflichtet fühlen; fast überall wird auch gebluest, gerockt und stilübergreifend gejammt. Manche haben mittlerweile sogar den Begriff Jazz aus ihrer Namensgebung gestrichen, wie etwa Moers. Denn solche Events fressen richtig Kohle, die allein aus Kulturfördertöpfen und Sponsoring nicht mehr herangekarrt werden kann. Aber nicht nur Zugeständnisse an den ‚Massengeschmack‘ haben diese Entwicklung befördert. Auch bei musikalischen Qualitätszuschreibungen steht der Begriff Jazz längst auch für stilistische Offenheit und Toleranz, kulturell-ästhetische Symbiosen und Austausch, Mut zu Grenzgängen und Neugier auf Experimente – alles Attribute, die einer Offenen Gesellschaft gerade heutzutage gut anstünden. Den übrig gebliebenen old-fashioned Jazznoses hat ja in den 1960ern schon Frank Zappa (vor seinem Montreux-Auftritt) ins Gebetbuch geschrieben: „Jazz isn’t dead, it just smells funny.“ Um dann bekanntlich selber sein musikalisches Schärflein dazu beigetragen, den Jazz von diesem ‚funny smell‘ zu entlüften. Und die immer wieder prognostizierte Agonie des Jazz kommentierte der Saxophonist Sonny Rollins so: „Jazz geht immer weiter, es gibt kein Ende, sondern immer etwas Neues.“
Die Musikauswahl zu diesem Beitrag fiel mir angesichts der vielen hochklassigen Mitschnitte nicht ganz leicht, aber wenn hier die stilistische Vielfalt schon so gelobt wurde, für die Prince als „Meister aller Klassen“ stand wie kein anderer Musiker, hab ich mich für ein Stückerl von ihm entschieden. Prince war erst ab 2007 (und dann noch mehrmals) dabei, und sang bei seinem letzten Auftritt eine seiner schönsten Liebesballaden:
Ein hübsches Beispiel, wie bei den Montreux-Experimenten auch manch alte Pop-Hits soulfunky aufgebrezelt wurden, zeigt hier Jamiroquai mit seiner Interpretation des 1966er-Sommerhits „Sunny“ von Bobby Hebb:
Alle Konzerte der 50 Festivals wurden in voller Länge aufgezeichnet und das daraus entstandene Ton- und Filmarchiv mit Aufnahmen von über 4000 Bands wurde 2013 in das Weltdokumentenerbe aufgenommen. Einen Teil davon findet Ihr unter dem Suchbegriff Live at Montreux on YouTube.
Schön, dass das Prince-Video wieder da ist! Ist doch manchmal ziemlich lästig der Streit zwischen den Rechteinhabern/ GEMA und Youtube, in den USA und GB klappt das besser.
Tja, das Rauskramen dieser Kopie war vergebliche Liebesmüh, ist auch schon wieder weg wie ihr seht. Wers hören mag, muss nun selber danach schaun, es gibt a paar Aufnahmen von anderen Prince-Konzerten.
Im Übrigen, K.K., sind in USA und GB tatsächlich weniger Musikvideos gesperrt, weil sich viele der dortigen Musik-Rechtsvertreter/ Labels mit YouTube geeinigt haben – allerdings zu Spottpreisen, von denen sich die Musiker kaum ein Bierchen pro Monat leisten können (ähnlich wie bei den Streamingdiensten). An den Videos verdienen YouTube/Google und die Kanalbetreiber, wenn sie ihre Uploads „monetarisieren“, also für Werbung frei geben. Das wird für die aber erst so ab ca. 1 Mio Zugriffe jährlich einigermaßen profitabel.