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Neujahrsrätsel 2012: Ein Spion verwechselt Sinn und Bedeutung

Im alltäglichen Leben denken wir nur selten über den Unterschied zwischen Sinn und Bedeutung eines Begriffs nach. Meist ergibt sich die Bedeutung eines Worts oder einer Äußerung aus einem Sinnzusammenhang, den wir mit Hilfe unseres Denk- und Erinnerungsvermögens selbst und also subjektiv herstellen – was übrigens auch der Grund dafür ist, dass manche Leute Ironie nicht verstehen.

pythia wiki commons

Orakel von Delphi

Unklarheiten in Sinn- und Bedeutungfragen sind aber so alt wie die Sprache selbst, und ein Lied davon konnten schon die Alten Griechen singen. Denn regelmäßig befragten sie das Orakel von Delphi, was sie tun oder lassen sollten, doch bei der Orakelpriesterin Pythia war leider selten klar, ob und wann sie überhaupt mit Sinn und Bedeutung redete; man wusste nicht, ob ihr Hirn gerade von Räucherwerk benebelt war, ob politische Widersacher sie bestochen hatten oder ob ihr gar die Laune nach Veralberung der Ratsuchenden stand (am Eingang des Tempels von Delphi soll ja schließlich die Inschrift „Erkenne dich selbst“ gestanden haben…)

Für die Bedeutungsspekuliererei seiner Landsleute hatte der Aristoteles wenig übrig; er glaubte, dass es mit Hilfe der richtigen Methode „“ der deduktiven Logik „“ möglich sei, wahre, der Realität entsprechende Aussagen zu machen und diese auch zu überprüfen. Das beruhte auf seiner Überzeugung, die Wirklichkeit werde im Denken und somit auch in der Sprache, da diese das Denken nach Außen weitergibt, richtig abgebildet.

Gottlob Frege.jpg

Gottlob Frege

Das problematische Verhältnis zwischen Sprache und Wirklichkeit wurde dann zwar nach und nach erkannt, aber erst der deutsche Mathematiker und Philosoph Gottlob Frege (1848-1925) verwarf die herkömmliche deduktive Logik und entwickelte eine neue formale und symbolische Version, mit der er auch alle sprachlichen Elemente in logische Beziehungen zueinander setzte, womit er zum Mitbegründer der analytischen Sprachphilosophie wurde. Er unterscheidet zwischen einem Sinn und einer Bedeutung, die jedem sprachlichen Zeichen zukommen.
In Freges Terminologie ist Sinn ein veränderbares, auf Konventionen gegründetes öffentliches Phänomen, während er mit Bedeutung den Bezug bzw. den Wahrheitsgehalt eines Ausdrucks meint. Daraus entwickelte Frege sein komplexes sprachlogisches System, mit dem heute noch die Erstsemester der Linguistik gequält werden.
Wie’s dann weiterging in der modernen Sprachphilosophie mit Wittgenstein, Quine, Davidson und Co. in Richtung eines lebensweltlich orientierten Pragmatismus, mögen Interessierte bitte selber nachlesen – die Rätselfreunde werden sicher langsam ungeduldig.
Nach dieser kleinen Vorrede sollte klar sein, dass Sinn & Bedeutung von Ausdrücken und Zeichen innerhalb einer Gruppe veränderbar sind, wenn man entsprechende Absprachen trifft. Das sind dann Geheimsprachen (z.B. bei Jugendlichen) bzw. Geheimcodes, die für Außenstehende oft schwer zu entschlüsseln sind. Allerdings dürfte das folgende Beispiel für euch leicht zu knacken sein, zumal es diesmal ja eher aus der Scherz- denn aus der Denk-Ecke kommt, auch wenns tödlich endet ;-)

Das Neujahsrätsel 2012: Der Fehlschluss des Spions

Während eines der vielen deutsch-französischen Kriege wollte ein französischer Agent in eine deutsche Stadt eindringen, um deren Waffenarsenal auszuspionieren. Nun war aber der Einlass in die Stadt durch einen geheimen Code geschützt, den zwar alle Einheimischen kannten, nicht aber der Spion. Er legte sich also nahe des Stadttores versteckt in einem Busch auf die Lauer und wartete.
Bald fuhr ein Händler auf einem Karren heran und verlangte Einlass. Der Wächter sagte: „28“. Der Händler überlegte kurz, antwortete dann mit „14“ und wurde eingelassen. Danach kam ein junges Bauernmädchen und nun rief der Wächter: „8“. Das Mädchen entgegnete „4“ und durfte ebenfalls passieren. Schließlich stand ein Mönch vor dem Stadttor und der Wächter sagte: „16“. Der Mönch antwortete mit „8“ und ging durchs Tor.
Nun glaubte der Spion den Code durchschaut zu haben und stolzierte selbstsicher vor das Stadttor. Der Wächter verstellte ihm den Weg und sagte: „12“. Der Spion erwiderte: „6“ und wollte schon weiterlaufen, aber bevor er auch nur einen Schritt machen konnte, zog der Wächter sein Schwert und hieb ihm den Kopf ab.
Er hatte die falsche Antwort gegeben!

Die Frage an Euch: Was wäre die richtige Antwort gewesen und warum?


Wer mag, kann uns die richtige Lösung wieder zusenden (bitte nicht hier in den Kommentaren posten!) – unter allen richtigen Einsendungen werden wieder drei Musik-CDs verlost (nach Wahl Modern Jazz oder Indie-Rock – bitte auf Lösungs-mail angeben!) .
Einsendeschluss ist der 20. Januar 2012.

wf

4 Gedanken zu „Neujahrsrätsel 2012: Ein Spion verwechselt Sinn und Bedeutung“

  1. In der Spät-(oder, je nach Interpretation bereits Post-)Moderne zitiert theoretisch jeder von jedem, aus dem (zumindest oberflächlich) breiten Fundus an Quellen. Dadurch ist es derzeit kein Unterscheidungskriterium mehr, „was“ oder „wen“ man zitiert. Höchstens, oder vielleicht noch „wie“ und mit welcher internen Ernsthaftigkeit, Selbstkritik, gesinnungs- oder verantwortungsethische Basis, etc.

  2. Nein, sicher bin ich mir nicht. Bin ja auch technischer Sokratiker. Aber ursprünglich war die obige Assoziation (u.a.) auf den unteren Beitrag zu den Spielmannszügen bezogen. Habe die Kommentartaste falsch zugeordnet. Obwohl das – Vorteil Postmoderne (als Epoche) – mit den Zuordnungen nicht mehr so streng ist. Und die randomisierte (bzw. „instinktgeleitete“/heteronome) Assoziation (zu irgendetwas) der heutigen „Postmoderne“ (oder auch Spätmoderne etc., je nach Interpretation) ist (sozial)technisch kompatibel mit dem Prinzip (des) Internet: Link führt zu Link führt zu Link. Ich surfe, also denke ich. Früher oder später landet man wieder bei einem Beitrag, dem man subjektiv etwas zuordnen kann. Daneben bleibt die Sinnfrage (unter anderem z.B. ob das Tummeln in der ‚Breiten Weite‘ des Internets oder der Zitatgeschichte Sinn zu stiften vermag) weiterhin auch in der Zeitstruktur der Postmoderne eine große Frage. (Theoretisch) Unabhängig davon wie sich die praktische Zeit entwickelt, ist für die jetzt bestehende abstrakte Philosophie des ‚Postmodernismus‘ die Offenheit der Sinnfrage (meinem Verständis nach) konstitutiv.

  3. Pingback: Philosophische Schnipsel » Lösung des Neujahrsrätsel 2012

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