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Precht meets Metzinger – zwei Philosophen, die sich einmischen

Metzinger Ego-Tunnel
Der ‚Philosophie-Mediator‘ Richard David Precht interviewt Thomas Metzinger – dabei reden die beiden u.A. auch über ’soziales Schach‘, verteilen einige Spitzen gegen die nur um sich selbst kreisenden Elitezirkel der akademischen Philosophie und wünschen sich von der mehr Weltzugewandtheit

Nun also kann Precht mit seiner Berufung zum Honorarprofessor an der Uni Lüneburg zeigen, ob sich seine Vorstellungen von einer zeitgemäßeren Art des Philosophierens auch im akademischen Betrieb umsetzen lassen. Was er dann da so in Seminar- und Bachelorarbeiten schreiben lässt, dürfte zwar kaum Bestseller-tauglich sein, aber sein Thema „Auf der Suche nach dem festen Grund“ scheint schon mal nicht schlecht gewählt, weil man dabei ja prinzipiell über alles reden kann, so wie er’s in der Öffentlichkeit sonst auch tut.

Vor Antritt seiner Uni-Laufbahn aber durfte er im Auftrag des SF und 3sat noch einen Vierteiler zur Reihe  „Sternstunden Philosophie“ unters Philo-interessierte Volk bringen, zu der er u.A. den ‚Neuro-Philosophen‘ Thomas Metzinger als Gesprächsgast eingeladen hatte.

Metzinger Ego-TunnelMetzinger, der schon seit langem eine Professur für theoretische Philosophie an der Uni Mainz inne hat, tritt seit vielen Jahren nicht nur sehr aktiv für die interdisziplinäre Öffnung der analytischen „Philosophie des Geistes“ ein, sondern setzt diese Themen auch in angewandte Ethik um, speziell in der Neuroethik im Zusammenhang mit Cognitive Enhancers, statt deren Einsatz (etwa des umstrittenen Ritalin) er u.a. Meditationsunterricht an Schulen vorschlägt.
In seinem Buch „Der Ego-Tunnel„ wirft er auch die Frage auf, ob wir im Rahmen der Neuroethik eine Bewusstseinsethik erarbeiten sollten; es geht dabei um unser „phänomenales Selbstmodell“, also um die Frage, wie unser Bewusstsein das Erlebnis „Ich“ als emotionales Selbstmodell konstituiert – entsteht es nur als „ein virtuelles Selbst in einer virtuellen Realität“ durch das manipulierbare Geflacker unserer Hirnfunktionen oder hat es doch eine zumindest lebenslang beständige „Seele“ inklusive einem freien Willen?

Eine schöne „Sternstunde Philosophie“ zum Thema Bewusstsein/ Identität, bei der auch historische Entwicklungen von Vorstellungen zu diesem Bereich der ‚Philosophie des Geistes‘, etwa von Aristoteles, Spinoza, David Hume, dem Buddhismus u.a. aufgegriffen werden.

Hier als Appetizer ein paar aus dem Gespräch herausgerupfte Metzinger-Zitat-Schnipsel:

  • Wir sind Höhlenbewohner, nämlich gefangen durch die Möglichkeiten, die unsere Sinne uns bereit stellen.
  • Was den Menschen dazu bringt zu handeln sind Gefühle.
  • Wir brauchen eine Philosophie, die empirisch informiert ist. Das akademische System selbst ist nicht sehr flexibel.
  • Was passiert mit unserer Kultur in dieser historischen Übergangsphase? Ist eine säkulare, ideologisch ungebundene Spiritualität denkbar?
  • Ich hab auch nur die Sachen von meinem Vater, die der einfach gemacht hat – dem Rest hab ich nicht zugehört.

Diese knappe Stunde lohnt sich in toto!

wf

5 Gedanken zu „Precht meets Metzinger – zwei Philosophen, die sich einmischen“

  1. Thomas Metzinger hat mit seinem Buch „Der Ego-Tunnel“ vor allem eins bewiesen: daß er nicht logisch und folgerichtig denken kann. Seine Thesen sind voller Widersprüche. Sein Versuch, Philosophie empirisch mit Ergebnissen der neurophysiologischen Forschung zu begründen, geht auf Kosten des Denkens. Meine eigenen Leseerfahrungen mit seinem Buch habe ich in mehreren Posts in meinem Blog festgehalten.

  2. Lieber Detlef Zöllner, es wird kaum jemand bestreiten (nicht mal Metzinger selbst), dass der „Ego-Tunnel“ einige argumentative und begriffliche Schwächen aufweist. Das Buch wurde seinerzeit ja von vielen Kollegen und sogar in den Feuilletons in die Mangel genommen, aber gerade dadurch zeigt sich der damit verbundene Diskurs-Gewinn zu den Themen der modernen Bewusstseinsforschung. Man erinnere sich, wie nach den Libet-Experimenten in den 1980ern eine Interpretatorik des neuropsychologischen Naturalismus entstand, die etliche ‚Hardliner‘ der Hirnforschung wie Singer, Roth u.a. auf den Plan rief und die Bewusstseinsphilosophie einen schweren Stand gegen die Position des biologistisch-physikalischem Reduktionismus zu haben schien. Insofern der „Ego-Tunnel“ dessen Konsequenzen weiterzudenken versucht und den Reduktionismus dabei selbst als unzulängliches Modell für die Konstitution und Erklärbarkeit geistiger Prozesse entlarvt, hat er erreicht, was Philosophie m.E. erreichen sollte: sowohl in Fachkreisen als auch in der öffentlichen (Laien-)Meinung für eine ausdifferenziertere Beleuchtung der noch jungen, aber spannenden und wichtigen Problemfelder der Neuro-Bewusstseinsforschung zu sorgen.
    Im Artikel hab ich auf den „Ego-Tunnel“ auch deshalb hingewiesen, um Metzingers frühere Position zu einigen der im Video verhandelten Themen in Erinnerung zu rufen; die geht er nun ja wesentlich ’softer‘ an, wie man auch bei den anderen erwähnten ‚Hardlinern‘ nach meinem Eindruck mittlerweile ‚Lernprozesse‘ durch bedenkenswerte Argumente aus der ‚Philosophie des Geistes‘ konstatieren kann.
    Gern hätten Sie übrigens auch ihre eigenen lesenswerten Blogbeiträge zum „Ego-Tunnel“ direkt im Kommentar verlinken können, damit interessierte Leser sich nicht übers Suchfeld dahin vorarbeiten müssen – in diesem Sinne erlaube ich mir, hiermit ihr „Resumee“ zu verlinken:
    http://erkenntnisethik.blogspot.com/2010/05/neurophysiologie-abschlieendes-zu.html

    Und nix für ungut, wenn ich Sie nun noch selbst zu ihrem Vorwurf gegen Metzinger, nicht logisch denken zu können, aus einem anderen ihrer dazugehörigen Artikel ( http://erkenntnisethik.blogspot.com/2010/05/neurophysiologie-uber-dummheiten.html ) zitiere:
    „Dummheit kennzeichnet ja durchaus gerade jene, die andere gerne als „šdumm“˜ diskreditieren!“

  3. Danke für die Verlinkung. Ich bin mit diesem Medium noch nicht so vertraut, daß ich das selbst hingekriegt hätte. Es macht übrigens überhaupt keinen Sinn, irgendjemanden „Dummheit“ vorzuwerfen, und auch ich hatte nur Metzingers eigene diesbezüglich Wortwahl aufgegriffen. Worauf es ankommt, ist die Argumentation, „“ nichts anderes.

  4. Sehr geehrter Herr Zöllner,

    Ich habe Ihre Kritik an Herrn Metzingers Buch gelesen und dabei den Eindruck gewonnen, das Sie Schwierigkeiten haben mit den, sich zugegebenermaßen z.T. unstrukturiert vermischenden, Untersuchungsebenen: Phänomenologie, Epistemologie und Onthologie. Ich kann Ihnen versichern das Herr Metzinger in keiner Weise in irgend einer seiner Schriften intendierte, dass das phänomenale Erleben nicht durch die Sinne affiziert werden kann (d.h. es muss nicht, s. Traum). Es ist ein klassisches epistemisches Problem, ob es eine Wirklichkeit unabhängig von unserem Bewusstsein gibt oder nicht(s. Höhlengleichnis). Nur ist es sehr schwierig sich diesem episthemischem Problem sprachlich zu nähern. Wenn sie einen guten Tipp haben wollen wie sie sich Herrn Metzingers Intension nähern können: Überdenken Sie ihre Haltung ihm und seinen Schriften gegenüber und versuchen Sie erst einmal ihn zu verstehen. Wenn Sie dann eine plausible Theorie vor Augen haben, logisch und stringent, können Sie sie immer noch ablehnen (gilt prinzipiell für fast alle philosophischen Werke). Aber bitte nicht mehr auf so polemische und herabwürdigende Weise. Einem theoretischen Philosophen Begriffsstutzigkeit vorzuwerfen ist ungefähr so wie einen kotzenden Kapitän für Seekrank zu halten: Man sollte überdenken, ob hier das nächstliegendste wirklich die Ursache sein kann.
    Mit freundlichen Grüßen
    Ewald Hannesen

  5. Für das Subjekt!

    Metzingers Theorie ist ein ernsthafter Philosoph. Demgegenüber halte ich Precht nur für einen Publizisten. Es ist ein Jammer, dass er heutzutage so für die Philosphie in Deutschland steht. Wenn das Kant, Hegel etc. nur alle wüssten?
    Doch zu Metzingers Theorie: Natürlich ist es wichitg, empirische Belange für die philosophischen Diskussionen zu berücksichtigen. Wir brauchen heute in einer Philosophie der Physik nicht mehr über Äther zu fabulieren. Das ist vorbei, weil so ein „Ding“ emprisich nicht nachgewiesen werden kann.
    Dennoch muss man die These, dass es kein Subjekt mehr gibt, nicht teilen. Warum soll es denn das Ich nur deshalb nicht geben, weil man nur fühlt, dass es es gibt? Oder es sich eben denkt? Es ist ja nicht so, dass man nur von sich selbst als einem Subjekt denkt, sondern auch von anderen. Was soll das heißen, „Ich denke mir den anderen als eine Einheit.“ Oder eben das Gegenteil: „Ich denke mir den andern nicht als eine Einheit.“ Das sind beides Sätze, die mir relativ sinnlos vorkommen. Ich weiß aus einer Vielzahl von Informationen und Zusammenhängen, dass der andere eine Einheit ist – nicht nur aus neurobiologischen. Die neurobioligischen Erkenntnisse sind sicherlich wichtige, die dann dazukommen könnten. Das Ich ist ein abstraktes Konzept für einige ganz unterschiedliche naturwissenschaftliche und soziale Zusammenhänge (als Physikalist gehe ich davon aus, dass die sozialen auf die naturwissenschaftlichen reduziert werden können). Man kann auch sagen: Die-und-Die Institution gibt es nicht, weil es sich nicht als eine Einheit darstellt. Doch das Ich ist eben das Konzept, der Begriff für diese verschiedenen Vorgänge. Doch es gibt es. Nur wenn ich einen Idealismus/Konstruktivisums anstrebe, dann kann ich dagegen argumentieren. Auf dieser Ebene argumentiert Metzinger aber gar nicht. Ohne das klassische Realismus/Idealismus-Problem sollte er die Frage also nicht angehen. Seine empirischen Erkennisse aus der Neurobiologie halte ich für wertvoll.
    Auf argumentativer Ebene (und damit auch logischer) überzeugt er nicht.

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