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Der Affe in uns

Neulich beim Faulenzen am See den Bio-Lehrer M. getroffen (ja, in Bayern sind noch Ferien), der mich wie schon einige Male zuvor alsbald in einen seiner Monologe hineinzog, die immer darauf hinausliefen, dass die Bio-Wissenschaften nun doch die führende Rolle bei der Interpretation und ‚Weiterentwicklung‘ des menschlichen Daseins übernommen hätten. Und dass es deshalb meinerseits angebracht wäre, hier öfter mal was darüber zu bloggen; er wäre im Übrigen auch gelegentlich zu einem Gastbeitrag aufgelegt.
Da es nicht ganz einfach ist, M. zu unterbrechen geschweige denn ihm zu widersprechen (er verkündet seine Thesen schließlich mit der Weltgewissheit eines Oberstudienrats), sagte ich ihm am Ende eine wohlwollende Prüfung im Falle einer entsprechenden Texteinreichung zu und versprach auch Besserung hinsichtlich der prozentualen Repräsentation von Bio-Themen in diesen Notizblättern.

Denn so ganz falsch liegt M. wohl nicht, sogar auf der Philosophie des Geistes prangt ja heut ein „Bio“-Siegel, auch wenn ich der Meinung bin, dass es (wieder) Aufgabe einer kritischen Philosophie sein sollte, die immer spezielleren naturwissenschaftliche ‚Erkenntnisse‘ in einem größerem Denk-Zusammenhang zu sehen, zu hinterfragen und (vorläufig) einzuordnen. Aber da die gestrige Ausgabe der 3sat-Reihe „Scobel extra“ (die ja kürzlich hier schon vorgestellt wurde) wieder mal ein Bio-Thema verhandelte, möchte ich meine M. gegebene Zusage mit Einbindung dieses „Bio-Philo-Clips“ zeitnah einlösen, auch wenn er sie wohl, vielleicht sogar zur Vorbereitung seines „fast revolutionär zu nennenden Unterrichts“ (M. über M.), selber angesehen hat. Immerhin ist der Themenkreis „Evolution/ Genetik“ und „Wieviel Affe steckt in uns“ ein recht dankbarer, weil jeder davon direkt (und mehr oder weniger sichtbar) betroffen ist.
Ja, da ging in den letzten Jahren einiges voran, zum Beispiel durch die Identifizierung der Human Accelerated Regions (HAR) durch die kalifornische Biologin Dr. Katherine Pollard. Das sind Erbgutabschnitte, deren Bausteinabfolge sich beim Menschen deutlich von der des Schimpansen und anderer Primaten unterscheidet und die daher bei der Evolution des «typisch Menschlichen» eine wichtige  Rolle gespielt haben könnten.

affenliebeWie immer bei Scobel (der ja mittlerweile selbst und auf eigene Rechnung zu philosophischen Grundfragen publiziert), ging’s in der Sendung auch um eine philosophische Grundhaltung, nämlich dass wir uns von der Hybris unserer evolutionären ‚Auserwähltheit‘, von unserem Anthropozentrismus, verabschieden sollten, da die Unterschiede zwischen Mensch und anderen Säugetieren doch nur gradueller Art seien. Auch Affen benutzen gezielt verschiedene Werkzeuge, entwickeln regional unterschiedliche Kulturtechniken, können in die Zukunft planen, verfügen über ein ausdifferenziertes Sozialverhalten mit lautlicher wie gestischer Kommunikation und bis zu einem gewissen Grad sogar über eine „Wir-Intentionalität“.

Scobel hatte drei altbekannte Evo-Bio-Spezialisten in die Sendung eingeladen, alsda den bewährten Bierkulturverteidiger Josef Reichholf, den lässigen Affenforscher Volker Sommer und den Genetiker und Evo-Biologen Wolfgang Enard. Die knapp halbstündige Sendung ist wieder recht anschaulich konzipiert mit Wechseln zwischen kurzen Filmbeiträgen und den drei Interviews

Sendung auf 3sat/ Scobel extra

wf

4 Gedanken zu „Der Affe in uns“

  1. Wäre interessant zu erfahren, was „Interpretation und „˜Weiterentwicklung“™ des menschlichen Daseins“ überhaupt heißen soll und dass die „Bio-Wissenschaften nun doch die führende Rolle“ dabei haben sollen. Mir ist ziemlich unverständlich, was es heißt, dass Bio-Wissenschaften das menschliche Dasein weiterentwickelt hätten. Ich würde da auch nicht von „Interpretation des menschlichen Daseins“ sprechen. Die Bio-Wissenschaften haben halt ein bisschen was über den Menschen herausgefunden, aber unser „Dasein“ (was auch immer das ist) wurde dadurch nun auch nicht fundamental neu verstanden.

  2. Wenn ich M. richtig verstehe, @blinderHund, ist seine „Interpretation“ eine ontologische, indem er „Leben“ und somit letztlich Denkvorgänge als Emergenzphänomene physikalisch-materialistischer Prozesse betrachtet (dem Eigenschaftsdualismus von z.B. Searl und Metzinger ähnlich). Mit der „Weiterentwicklung“ stellt sich M. auf den m.E. gefährlichen Standpunkt, dass genetische Manipulationen das ‚biologische Potential‘ des Menschen optimieren könnten.
    Und Zustimmung natürlich, dass es eine Fundamentalontologie von „Da-Sein“ (hier eben in heideggerianischer Schreibe) ohne Kenntnis des ‚Absoluten‘ nicht geben kann, und da ist der Bio-Lehrer M. ja doch a Stück von entfernt ;-)

  3. Von Seiten der Bio-Leute (wenn ich deinen Sprachgebrauch da mal übernehmen darf) wird ja oft so getan, als würden wir fundamental neue Dinge über uns lernen und uns fundamental neu verstehen („interpretieren“). Diese Rede finde ich immer etwas merkwürdig. Dass der Geist vom Körper abhängt (meinetwegen kann man das „Emergenz“ nennen), insbesondere vom Gehirn, wissen wir schon lange; dass es ein paar Hirnareale gibt, in denen es „piep“ macht, wenn wir Hunger haben, auch; dass sich das alles nach evolutioniären Prinzipien entwickelt hat, auch; dass der freie Wille ziemlich unter Beschuss ist, ist auch nicht neu. Da wird m.E. immer so getan, als würde uns das alles was ganz Neues über uns sagen und als müssten wir jetzt auf einmal umdenken. Wenn das von Herrn M. gemeint ist, würde ich mir in seinem möglichen Gastbeitrag eine Erläuterung wünschen.

    Ob da mit „Dasein“ der Heideggerkram gemeint ist, weiß ich nicht. Vermutlich sollte es nur schön wichtig klingen.

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