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Spinozas ganzheitlicher Pantheismus

Nachgereicht nun noch, wie in der vorangegangenen Blog-Notiz angekündigt: der zweite ARTE-Beitrag zum Thema Rationalismus als Vorbereitung für’s anstehende französische Philosophie-Abitur – nach der Einführung in Descartes‘ Denkart gibts nun eine zu Spinoza. Moderator Raphaël Enthoven hatte dazu wieder eine junge Philosophin eingeladen (er lädt fast immer junge Philosophinnen ein) und diesmal durfte die aparte Julie Henry darlegen, dass körperliche Bedürfnisse das Denken einschränken können, ja dass die Begierde unser Wesen ausmacht und unsere Handlungen verursacht.

Spinoza

Baruch Spinoza

Solche Sachen behauptete nämlich auch Baruch Spinoza (1632-1677), der die Willensfreiheit des Menschen bestritt und im Gegensatz zu Descartes einen Monismus der Art vertrat, dass in allem Seienden ein einheitliches kosmisches Prinzip wirke, Geist und Materie seien nur verschiedene Attribute einer einzigen Substanz, des unendlichen Wesen Gottes, der somit als causa sui auch keine Wahl gehabt habe, die Welt zu erschaffen oder es sein zu lassen: „Gott ist die unendliche, substantiell in ihren Eigenschaften konstante, einheitliche und ewige Substanz.“

Da die Sinneserfahrung des Menschen trügerisch sei, könne Erkenntnis über das wahre Wesen der Natur (= Gott) nur durch deduktives, rationales Denken gewonnen werden und das wiederum liefere die Einsicht in Willensvorgänge aus Naturnotwendigkeit, jeder Willensakt sei von einem anderen, vorhergehenden abhängig.

Spinoza war sich selber über seine Außenseiterrolle in der damaligen Philo-Szene klar („Die Krähen fliegen in Schwärmen, der Adler fliegt allein.“) und sah sich gern in der Nachfolge von Sokrates und den Stoikern, wobei er mit seiner Verabsolutierung des Kausalitätsprinzips als Begründung für einen ‚wissenschaftlichen‘ Pantheismus und eine ganzheitliche Weltbetrachtung wohl zu recht als der radikalste und bis heute intellektuell wirksamste Denker aus vor-kantianischer Zeit gelten kann.

Da die Lektüre von Spinozas Originalwerken nur was für ganz Hartgesottene ist, weil sie in einer Art mathematischer Beweisführung verfasst sind, und weil auch der entsprechende Wikipedia-Artikel der Flughöhe des Adlers nicht entspricht ;-), empfehle ich allen an guter Übersicht Interessierten diesmal den (englischen, aber gut verständlichen) Eintrag in der Stanford Encyclopedia of Philosophy zu Leben und Werk Spinozas – sofern Ihr vom folgenden Arte-Geplapper nicht ganz abgeschreckt seid…

wf

Ein Gedanke zu „Spinozas ganzheitlicher Pantheismus“

  1. Spinozas Philosophie war nicht lustfeindlich, im Gegenteil: Weil er (im Unterschied zu Descartes) keine substanzielle Differenz zwischen Leib und Seele sah, sondern die beiden als zwei Aspekte desselben Individuums betrachtete, sind Lust, Liebe und Erkenntnis zusammengehörige Phänomene einer allumfassenden Natur (= Gottes).
    Im Philosophie Magazin gibts von Michael Hampe, einem ausgewiesenen Spinoza-Kenner, dazu eine kleine Ausführung:
    https://philomag.de/spinoza-lust-am-leben/

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