Zum Inhalt springen
Startseite » Descartes hat ja nach “cogito ergo sum” noch weitergedacht

Descartes hat ja nach „cogito ergo sum“ noch weitergedacht

Die Reihe „ARTE PHILOSOPHIE“ gibt ne Runde Basis-Philo-Wissen aus

rene descartes

René Descartes

Ein Hauptmotiv allen Philosophierens ist seit je her das ambivalente Verhältnis von unserer phänotypisch eingeschränkten Sinneswahrnehmung zu unserer erkenntnissuchenden Vernunft – die Grundlegung aller Ontologie und Metaphysik. Als naturwissenschaftlich Vorgebildeter wissen Sie beispielsweise, was passiert, wenn man einen geraden, festen Stab schräg in eine Glasschüssel mit klarem Wasser einführt; er erscheint unserem Sehsinn ab der Wasseroberfläche geknickt, weil Licht in verschiedenen Medien unterschiedlich gebrochen (reflektiert) wird.
Nun ist die phänomenologische Irritation bei diesem simplen Beispiel mit etwas Know How offenbar leicht erklärbar, sogar manche Fischarten im Amazonas haben eine ‚phänomenologische Erkenntnistheorie‘ dazu entwickelt und wissen diese zum Beutefang zu nutzen, wenn sie aus einiger Wassertiefe ein Insekt von einem Ast über der Wasseroberfläche zielgenau abschießen. Das setzt offenbar eine Form geistiger Aktivität voraus und wenn man die Wechselwirkungen zwischen diesen voneinander verschiedenen „Substanzen“ „“ Geist und Materie „“ auf komplexeren Ebenen weiter studiert, landet man letztlich beim klassischen „Leib-Seele-Problem“, mit dem sich René Descartes so intensiv wie keiner vorher beschäftigt hat und das ihn nach radikalen Zweifeln an der eigenen Erkenntnisfähigkeit schließlich auf das berühmte „cogito ergo sum“ brachte.
Er begnügte sich natürlich nicht mit dieser ‚Einsicht‘, sondern überlegte, wieviel Macht der Geist über den Körper habe und wie ein Denkvorgang in körperliche Aktivität umgesetzt würde – ein bis heute trotz aller neurologischen Experimente ungeklärter Vermittlungszusammenhang.

Ausgehend von einem für ihn offensichtlichen Dualismus versuchte Descartes sich in den 1641 erschienenen Méditations sur la philosophie premií¨re an einem Beweis für die Existenz Gottes und die Unsterblichkeit der Seele und drei Jahre später an einer wissenschaftlichen Ausarbeitung der „Grundlagen der Philosophie“, zwei bis heute wirksame und intensiv diskutierte Werke.
Die waren nun auch die Basis für einen neuen und vor allem neuartigen Beitrag der ARTE-Reihe „Philosophie“, zu der Moderator Raphaël Enthoven diesmal die Descartes- und Bacon-Spezialistin Elodie Cassan eingeladen hatte. Zwar wurde das Format des Bilder-Spaziergangs (als ‚Aufhänger‘ für die Dialoge) beibehalten, doch statt sich wie sonst in metaphysisch-spekulativem Geplauder zu einem schwergewichtigen Meta-Thema zu verlieren, gabs diesmal eine konkrete Philo-Geschichtsstunde zu Descartes‘ Denken, das ja vor allem in Frankreich noch die Grundlage des gymnasialen Philosophieunterrichts ist (ach, wenn ma bei uns so was wenigstens hätten…)

Wer den halbstündigen Beitrag lieber im TV-Format sehen will, kann das diese Woche noch ein paar Mal nächtens auf ARTE tun, kommende Woche gehts dann weiter mit Descartes‘ Alter Ego und Lieblingsfeind Spinoza.

wf

4 Gedanken zu „Descartes hat ja nach „cogito ergo sum“ noch weitergedacht“

  1. Der gute Descartes trägt ja wohl die Hauptschuld am anthropozentrischen Weltbild des Rationalismus. Die Franzosen glauben ja heute noch, dass sie weiter vom Affen entfernt seien als andere Völker.

  2. Pingback: Philosophische Schnipsel » Spinozas ganzheitlicher Pantheismus

  3. Zu dem Satz „“¦ eine konkrete Philo-Geschichtsstunde zu Descartes“™ Denken, das ja vor allem in Frankreich noch die Grundlage des gymnasialen Philosophieunterrichts ist (ach, wenn ma bei uns so was wenigstens hätten“¦)“ wäre zu erwähnen, dass am 21. Oktober 2011 im isländischen Parlament ein Vorschlag der Regierung eingebracht wurde, welcher die Einführung des Fachs „Philosophie“ sogar in den Lehrplan der Grund- und Hauptschulen innerhalb der nächsten vier Jahre zum Ziel hat.

    Im Vorschlag selbst heißt es in etwa: „Die Lehre der Philosophie für Kinder ist eine Notwendigkeit, um ein Gefühl für Recht und Unrecht, die Pflichten einer Gesellschaft, und das Gefühl der Verantwortung gegenüber der Gesellschaft zu vermitteln, aber auch, um kritisches Denken zu fördern, das eine der wichtigsten Voraussetzung für die aktive Teilnahme der Bürger an einer demokratischen Gesellschaft ist. “

    Passend hierzu das Urteil eines Gerichts im Land der Dichter und Denker, welches befand, dass in Deutschland ein Ethik-Unterricht Grundschüler überfordern würde, da ethische Fragen zu erörtern für Grundschüler zu kompliziert sei, und Kinder genug über Werte und Moral lernen, indem sie sich in ihrer Klasse zurechtfinden müssten. Wie wahr. Siehe

    http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/0,1518,793651,00.html

  4. Danke, be, für den Spiegel-Link; so können wohl nur Richter urteilen, die noch nie mit Kindern philosophiert haben.
    Wär sicher nicht nur für die Leser hier, sondern auch für alle Befürworter einer zeitgemäßen, kritischen Pädagogik interessant, ob sich der Vorschlag zur Einführung des Grundschul-PhiloUnterrichts in Island umsetzen lässt und auch wie er von den Kids angenommen wird.
    Fern von Island, nämlich gleich hier bei uns ums Eck in Pöcking, ist das erstaunlicherweise schon Realität:
    http://www.zeit.de/2011/28/C-Philosophie-Grundschule

    Da sollten die baden-würtembergischen Richter doch einfach mal vorbeischaun…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.