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Religion ist heilbar und Gott ist Fußball

Josef Hochstrasser

Pünktlich zum Fussball-EM-Viertelfinale brachte 3sat/ Kulturzeit gerade einen Beitrag über einen agnostischen Schweizer Pfarrer, der seinen metaphysischen Gott gegen den leibhaftig runden eingetauscht hat. Und weil gleich das Spiel beginnt, gibts heute mal nur einen 3sat-Infoausschnitt:

Josef HochstrasserEr war katholischer Priester, dann reformierter Pfarrer. Heute ist Josef Hochstrasser Religionslehrer im Schweizer Ort Zug. An Gott glaubt er jedoch nicht mehr. Sein Buch „Religion ist heilbar“ bedeutete für ihn ein Outing. Er bezeichnet sich als Agnostiker und geht der Frage nach, weshalb Fußball in unserer Gesellschaft den Stellenwert einer Ersatzreligion innehat: Glaube, Schule, Fußball – diese drei.
Der Samstagmorgen ist für Josef Hochstrasser heilig. Da kann kommen was will, er spielt dann Fußball.  Fußball ist für den Agnostiker Josef Hochstrasser eine Weltreligion, das zumindest behauptet er in seinem Buch „Religion ist heilbar: Glaube, Schule, Fussball. Diese drei. Aus der Sicht eines Agnostikers“.

Der reformierte Pfarrer lässt offen, ob es einen Gott gibt oder nicht. Er geht sogar soweit, dass er das Phänomen Ball mit dem Phänomen Gott vergleicht: „Auf der einen Seite gibt es das Christentum, altehrwürdige Religion, auf der anderen Seite vertrete ich wirklich die Meinung, dass Fußball auch eine Form von Religion ist. Man könnte so sagen: auf der einen Seite der Christengott und auf der anderen Seite der Fußballgott“, sagt Hochstrasser. Im Trikot Lizarazus, des einstigen Bayern-Verteidigers, spielt er mit Leidenschaft Fußball – ein Geschenk eines langjährigen Freundes, der beim Sieg von Bayern München bei der Deutschen Meisterschaft seine Tränen nicht zurückhalten konnte – und in Kürze die Schweizer Nationalmannschaft aus dem Tal der Tränen führen will: Ottmar Hitzfeld.

In seinem Buch provoziert Hochstrasser mit seinen Thesen. Er schreibt, sein Glaube an Gott gehöre der Vergangenheit an: „Der christliche Gott ist meiner Meinung nach auch unter dem Verdacht, dass er ein Produkt des menschlichen Geistes also auch etwas Hergestelltes ist. Insofern ist der christliche Gott nicht höher zu stellen als ein Fußball. In beide hinein werden Projektionen gelegt“, so Hochstrasser. Ist das nicht blasphemisch? „Ich habe da keine Angst davor, obwohl ich selbstverständlich Theologe bin. Ich bin Pfarrer und schätze die christliche Religion, das ist klar“, antwortet Hochstrasser. Er ist nicht nur Pfarrer, sondern auch Religionslehrer. Seine Schüler waren es, die ihn zu seinem öffentlichen Bekenntnis als Agnostiker herausgefordert hatten. Durch ihre kritischen Fragen wurde ihm klar, dass er nicht mehr an Gott glaubte.
„Der Grund war wirklich, dass ich mich mit den Menschen beschäftigte, dass ich auf ihre Fragen eingegangen bin, ihre Nöte angehört habe“, sagt er. „Da habe ich gemerkt, ich kann nicht mit einem Gott im Himmel kommen und die Leute vertrösten, dass sie es vielleicht später einmal besser haben. Ich habe mich konzentriert auf die diesseitige Welt und musste Abschied nehmen von einem metaphysischen, das heißt jenseitigen Gott.“ Erstaunlicherweise hat Josef Hochstrassers öffentliches Bekenntnis als Agnostiker für ihn keine Konsequenzen als Pfarrer. Die evanglisch-reformierte Kirche lässt ihn weiter predigen. Auch das heilige Sakrament der Taufe spendet er. Die Frage drängt sich auf, was lässt eine Landeskirche alles zu, was hat Platz, welche Existenzberechtigung hat eine Kirche, in der die Pfarrer nicht mehr an Gott glauben?
„Wir können das tolerieren“, sagt Monika Hirt Behler, Kirchenratspräsidentin im Kanton Zug. „Bei uns gilt die Verkündigungsfreiheit. Uns ist ein bekennender Agnostiker lieber als jemand, der ganz genau mit absoluter Gewissheit weiß, was wahr und falsch ist und keine andere Wahrheit daneben akzeptiert. Die reformierte Kirche ist eine offene Kirche, in der es nicht die einzige Wahrheit gibt. Der Ball als Symbol dient ihm im Gottesdienst.“ Die vollkommenste Form im Universum hat für ihn etwas Göttliches – auch das Spiel auf dem Rasen.

Sein Glaube an Gott gehört zwar der Vergangenheit an, trotzdem sieht Hochstrasser seine Aufgabe als fußballverrückter Pfarrer ganz klar: „Ich fühle mich in der Linie von Jesus von Nazareth. Der war ein Mensch, so wie ich ihn verstehe, der sich in der Diesseitigkeit der Welt engagiert hat. Er hat für Gerechtigkeit gesorgt, für eine Kommunikation unter Menschen, und das sind für mich Zielvorstellungen des Lebens, die ich auch bearbeiten will. Damit habe ich genug zu tun, da brauch‘ ich gar nicht zu streiten, ob es einen Gott gibt oder nicht.“

wf

3 Gedanken zu „Religion ist heilbar und Gott ist Fußball“

  1. Ist der Fußballsport etwa die zeitgemäße Form von Platonismus fürs Volk? Und wann kommt das böse Erwachen? – Spätestens nach der nächsten Niederlage!

  2. @ Markus
    Dein Vergleich hinkt ja nicht einmal, da die ‚Welt der Ideen‘ zwar bei Platon und im Fußball das höchste Gut darstellt, woraus sich sogar eine Ethik ableiten lässt, die aber weder in der Lebenspraxis auf dem Athener Marktplatz noch auf dem Spielfeld anständig funktioniert – aber diese Erkenntnis (das böse Erwachen) ist für das Volk doch nix neues…

  3. Schade, dass bei diesem Pfarrer die Taufe, die er einmal hatte nicht mehr sichtbar ist. Taufe ist vielleicht ein gutes Stichwort. Ist diese Taufe vielleicht auch heilbar? Diese Einstellung finde ich nicht gut.

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