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Kein Cent für Kultur und Bildungsinhalte

„Das ist die bisher schwerste innenpolitische Entscheidung, die ich als Bundeskanzlerin zu teffen hatte.“, jammerte diese Woche die AgröKaz Merkel bei der Vorstellung des 2. Konjunkturpakets in Höhe der unvorstellbaren Summe von 50 Milliarden Euro – großteils Investitionen in postindustrielle wirtschaftliche Auslaufmodelle, womit nicht nur belastende finanzielle, sondern auch ökologische Spätfolgen für die Nach-uns-wirds-schon-aushalten-Generation festgezurrt wurden.
Grünen-Chef  Kuhn sprach gar von «Voodoo-Ökonomie», weil von den vorgesehenen Steuerentlastungen nur 50 Prozent der Bevölkerung etwas hätte, die andere Hälfte gehe leer aus. Notwendig sei stattdessen eine Anhebung des Arbeitslosengels II, bei dem man auch sicher sein könne, dass es wirklich in den Konsum fließe.
Ach Kuhn … (aber die teilweise mangelnde, oft nur ökologisch begründete Konsumkritik vieler „Grünen“ ist ein eigenes Thema).

spitzweg - der arme poetZwar sind für öffentliche Bildungseinrichtungen ca. 9 Milliarden Euro vorgesehen, doch soll dabei nur in Schöne-Schulen-braucht-das-Land  investiert werden und nicht in dringend benötigte zusätzliche gut ausgebildete und motivierte Lehrer. Ohne die gibts aber keine Bildung, und die ist Vorraussetzung für den Erwerb und die Gestaltung von Kultur. Und die wiederum ist Vorraussetzung für eine tragfähige Demokratie, weil sich, mal mit Hegel’schem Pathos gesagt, in der Kultur der Ort der Freiheit und Urteilskraft manifestiert.

Direkte Investitionen für Kulturprojekte sind überhaupt nicht auf der Agenda, kein Cent zusätzlich für Wagnisengagement jenseits des Mainstream, für die kleinen, innovativen Projekte, die durch ihre Fragestellungen und Interpretationserweiterungen  den gesellschaftlichen Diskurs voranbringen. Ohne Investitionen in neue Ideen und Kreativität ist da ein Substanzverlust unvermeidlich.

Und wenn die sich selbst gern stolz als „Kulturstaat“ bezeichnende BRD diese Kulturförderung verkümmern lässt, schafft sie zudem ein psychologisches Klima der ‚Minderwertigkeit‘ bei allen Kulturschaffenden, Unterstützern und vor allem beim rezipierenden Publikum. Auch um dieser Abwertung entgegenzuwirken, fordert der Deutsche Kulturrat, möglichst bald das Staatsziel Kultur im Grundgesetz zu verankern und damit Verfassungsrang zu geben.

Den unverbesserlichen Ökonomie-Fetischisten sei zur Besänftigung auf die Geldwert-Messlatte geschrieben, dass jede Kulturveranstaltung, egal ob bei Filmfestspielen, auf dem Bayreuther Hügel oder im kleinen Jazzclub,  assoziative, reale Umsätze, sprich ‚Wertschöpfung‘,  im Veranstaltungsumfeld von Publikumsversorgung, Logistik, Technik, Marketing, Journalismus und weiterführender Mediennutzung generiert.
Um bis zu öffentlichen Realisierungen von Kulturkonzepten zu gelangen, bedarf es aber viel Vorarbeit, die hauptsächlich von der ca. halben Million freiberuflicher professioneller Kulturschaffender geleistet wird. Von diesen krebsen jetzt schon  90% am oder unterm Existenzminimum, so dass ich mit der ehemaligen Berliner Kultursenatorin Adrienne Goehler d’accord gehe, die in einem Interview mit ‚Kulturzeit‘ kürzlich wieder mal das schon oft diskutierte ‚Bedingungslose Grundeinkommen‘ forderte – zumindest für Alle, die mit enormem Zeitaufwand, Idealismus und erarbeitetem Know-How an der kulturellen und sozialen Weiterentwicklung unserer Gesellschaft arbeiten.
Dafür generative Mitverantwortung zu übernehmen, liebe AgröKaz, stünde deinem Titel gut an und wir wollen dich dabei nicht jammern, sondern herzüberzeugt schnurren hören.

4 Gedanken zu „Kein Cent für Kultur und Bildungsinhalte“

  1. Also, die Assoziationskette „Schöne Schulen – motivierte Lehrer (und auch noch genug davon) – lebendige Kultur – funktionsfähige Demokratie“ ist ja wohl aus der Gedankenwelt eiens Kulturschaffenden stammend.

    Wer will denn so etwas schon? Unsere bornierten Wirtschaftsfanatiker bestimmt nicht, aber die sitzen nunmal an den „Hebeln der Entscheidungsmacht“. Man sollte eben keine ungebildeten bzw. ver-bildeten Leute in verantwortliche staatliche Stellungen und Spitzenpositionen lassen. Um das zu verhindern bräuchten wir aber adäquat ausgestattete Schulen, motivierte Lehrer, eine lebendige Kultur- und Bildungslandschaft sowie last not least eine Demokratie, die diese ehrenvolle Betitelung auch verdient.

    Vor dem „Bedingungslosen Grundeinkommen“ als möglichem Ausweg aus dieser Misere möchte ich aber warnen. Denn von „bedingungslos“ dürfte bei diesem Almosen mit bedingungslosem Unterwerfungscharakter unter die gewinnwirtschaftliche „Wertschöpfungsmaxime“ in praxii wohl kaum die Rede sein. Was hat kapitalistische Politik auch schon mit Kultur zu tun!

  2. Geht auch anders!
    Der Münchner Stadtrat z.B. hat gestern beschlossen, die freie Kulturszene der Stadt dieses Jahr mit 600.000 Euro zu unterstützen. Davon fließt mehr als die Hälfte in die freie Theater- und Tanzszene, der Rest verteilt sich auf Pop- und Rockförderung („Feierwerk“, Theatron u.A.), sogar privat iniziierte Literaturprojekte bekommen was ab.
    Ist zwar ein Klacks im Verhältnis zum Gesamtetat, hilft den Projekten aber beim Überleben und tut was für das von dir angesprochene „psychologische Kulturklima“

  3. Obama hat offenbar den Wert von Kulturförderung für die gesamtgesellschaftliche Entwicklung begriffen und beabsichtigt, im Weißen Haus einen eigenen Kulturbeauftragten zu installieren.
    Auf Anregung der Organisation „Americans for the Arts“ sollen aus Mitteln des US-Konjunkturpakets auch Initiativen wie der ‚New Deal‘ (staatliche Aufträge und Beschäftigung für Künstler) wiederbelebt werden. (SZ-Meldung vom 27.1.)

    Good Luck, Mr. President!

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