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Urheberrecht, Creative Commons und die GEMA

„Wissen, Ideen und Erfindungen können in der Natur kein Gegenstand von Eigentum sein. Ideen sollen sich frei über den ganzen Globus verbreiten, von einem zum anderen, zur moralischen und wechselseitigen Belehrung des Menschen.“

Ginge es also nach dem Staatstheoretiker und US-Präsidenten Thomas Jefferson (1743-1826), von dem dieses Zitat stammt, wären die verworrenen Streitigkeiten um die Verwertung von Urheberrechten in Kunst und Wissenschaft, vor Allem in den digitalen Medien obsolet. Ganz in Jeffersons Sinn formierte sich vor ein paar Jahren die Creative Commons – Bewegung unter Führung des Juristen Lawrence Lessing von der Stanford University. Dabei wird den traditionellen restriktiven Urheberrechten ein Modell gegenüber gestellt, das sich an den Grundwerten von Offenheit und Teilhabe orientiert.

cc-logoKreativen, Kultur- und Medienschaffenden sowie Wissenschaftlern wird damit ein Werkzeug zur Verfügung gestellt, um selbst bestimmen zu können, was sie mit ihren Werken machen und wie sie diese verwerten wollen.
Für die Grundlagen dieser Diskussion scheint mir über diesen Selbstbestimmungsgedanken hinaus die urbuddhistische Vorstellung der ‚bedingten Existenz‘ (Anatman) wichtig, nach der jede Idee, alles neu Geschaffene,  ebenso das Künstler-„Ich“ aus der Kausalität und Kontinuität vernetzter Vor- und Parallel-Prozesse emergiert. (Wie etwa wäre der Großteil zeitgenössischer Musik vorstellbar ohne den Blues der Baumwollfelder, ohne die Wohltemperierte Stimmung und die Polyphonie, ohne die Erfindung elektronischer Instrumente oder ohne tausender gehörter und in neuronalen Clustern abgespeicherter Melodiebögen früherer Komponisten – wie wäre wissenschaftlicher Fortschritt  möglich ohne Millionen auch namenloser Vorarbeiter vom Feuersteinschleifer bis zum CERN-Assistenten?).
Dadurch scheint jeder Legitimationsversuch von Rechtsexklusivität auf  ‚Originalwerke‘ absurd, es ist immer ein größerer Teil Gemeinschaft dabei als Schöpfungs-Ego.
Das sah schon John Locke (1632-1704) so, der in seinen philosophischen Untersuchungen über das Eigentum forderte, dass „bei der privaten Aneignung eines Gemeinschaftsgutes so viel übrig bleiben muss, dass die Gemeinschaft trotzdem großen Nutzen daraus ziehen kann“.

So selbstverständlich das auch klingen mag, so weit sind wir heute davon entfernt und wir wehren uns kaum gegen die negativen gesellschaftlichen Konsequenzen einer privaten oder konzerngesteuerten, rein kommerziellen Zwecken dienenden Aneignung von Wissen (wie hier schon kürzlich am Beispiel der Alzheimer-Forschung gezeigt wurde). Dazu kommt, dass ein Großteil von schöpferischen Leistungen, vor Allem in der Wissenschaft,  durch öffentliche Mittel überhaupt erst ermöglicht wird. Das Argument der Patent- und Rechtegewinnler „ohne Moos nix los“ ist Ausdruck des maroden Denkens einer materialistisch durchorganisierten Gesellschaft, in der evolutionär-schöpferische Weiterentwicklung direkt an Kontenverfettung gekoppelt ist.
Hier gäbe es einen Sub-Essay einzufügen über die staatliche Alimentierung der Künste und Wissenschaften in Antike und Mittelalter, über Mäzenatentum und Förderfonds etc. (wobei da natürlich auch meistens auf persönliche Reputation und damit verbundene Annehmlichkeiten geschielt wird) – und natürlich ein paar Takte zur dazu passenden Idee eines Grundeinkommens für Alle + X. Davon ein andermal.

Rainer Kuhlen, Professor für Informationswissenschaft an der Uni Konstanz, schlug in seinem tonartverwandten Essay  „Wissen kann kein Eigentum sein“ (SZ vom 24.8.08) vor, dass die Gesellschaft durchaus Rechte an den Gewinnen aus neu erarbeitetem Wissen vergeben könne, um zusätzliche Anreize für das Schaffen neuen Wissens zu geben. Aber das sei kein natürliches Recht, sondern sei sozial beziehungsweise politisch konstruiert.

Die Absurdität, dass heute jeder Pfurz urheberrechtlich vor Weiterverwertung geschützt ist, nahm diese Woche der Komponist (und GEMA-Mitglied) Johannes Kreidler mit einer öffentlichkeitswirksamen satirischen Aktion aufs Korn: Er legte als Kritik an der GEMA in Berlin 70.200 Anmeldeformulare vor – für ebenso viele Millisekunden kleine, aber nichtsdestotrotz anmeldepflichtige Ton-Schnipsel, die er in einer nur 33 Sekunden dauernden Komposition eingebaut hat.
Ha, da hat sich mal einer mit einer sauberen Eulenspiegelei gegen das Symbol der Urheberrechtsverkrustung und Großverwerterbevorteilung gewehrt, doch ich glaube, dass der schwerfällige GEMA-Tanker eher untergeht als seinen Kurs zu ändern. Bin dort selber (noch) Mitglied und habe reichlich Arroganz, staatlich abgesegnete Machtausübung und Undurchsichtigkeit in der Lizenzverwaltung erlebt, sowohl als Urheber als auch Nutzer – meine Konsequenz für die Lizensierung eigener Veröffentlichungen sind die Creative Commons, aus denen sich vielleicht einmal ein vernünftiges, wechselseitig partizipatorisches Modell für Kreative und Gesellschaft entwickeln lässt.

Mehr zum Thema/ Diskussion:

– SZ-Interview mit Lawrence Lessing zu Urheberrecht und Copyright-Flatrate

(Süddeutsche Zeitung vom 22.12.06)

– Antwort von Joost Smiers: „Krieg den Palästen, Friede den Künstlern!“

(Süddeutsche Zeitung vom  27.5.07)

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Passend dazu gibt’s a Stückerl Klezmer-Rock g’schenkt:  „meschugge“ (MP3)
(Dirty Fingers/ feat. Thomas Nieberle – Klarinette)

wf

Ein Gedanke zu „Urheberrecht, Creative Commons und die GEMA“

  1. Pingback: Philosophische Schnipsel » YouTube und die Knebelverträge der GEMA

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