Zum Inhalt springen
Startseite » Ein kleiner Exkurs in die opaken Untiefen des Ironismus

Ein kleiner Exkurs in die opaken Untiefen des Ironismus

Es gehört ja schon lang zur feuilletonistischen Folklore, dass die ironische Brechung von Zeichen, Texten und Tönen etablierter Kulturformen ein Hauptmerkmal der sog. Postmoderne sei. Und weil Folklore auch von ihren Helden lebt, feiert man die Ironiker gern als kulturphilosophische Dekonstrukteure des Falschen, Hässlichen & Schlechten.
Nun sind die Ironiker allerdings eine weitverzweigte Familie mit recht unterschiedlichen Talenten und Qualitäten, und nicht alle erfüllen bei ihrem Tun die Hoffnung auf eine Verfeinerung der Deutungs-Verhältnisse. Und eher sinds die Grobschlächtigeren, die zum Helden taugen, die sich vor einem größeren Publikum als Brachial-Dekonstrukteure hochjazzen und somit gleichzeitig in der kulturindustriellen Monetarisierungsmaschine verwerten lassen.
Ein Beispiel dafür wurde nun von einem Herrn Kramm aus Düsseldorf gegeben, im real live des show-bizz besser bekannt als Heino. Der Mann hat sich auf Anraten seiner medialen Spin-Doctors im Repertoire etlicher Musikerkollegen aus Pop und Rock bedient, um scheinbar einen Rachefeldzug gegen all die anzuzetteln, die sein bisheriges Schaffen als unterkomplex und volkstümlich belächelt und ihm die Anerkennung eines Ranges auf Augenhöhe verweigert hatten. Und brrretterrrt nun mit seinen Interpretationen über die vermeintlichen Qualitätsunterschiede zwischen volkstümlichem Schlager und Deutsch-Pop/Rock hinweg, so dass dessen pathetisch-kitschiger Kern blank liegt und kaum eine Niveaudifferenz mehr auszumachen ist.
Auf dem Cover dieses neuen Albums „Mit freundlichen Grüßen“ schnellt die offenbar noch mit einiger Schlagkraft ausgestattete Faust des 74-jährigen mit fettem Totenkopf-Fingerring ins Auge des Betrachters und scheint so in Verbindung mit dem Titel einen unübersehbaren Ironie-Marker abzugeben – fürwahr, alles Insignien eines postmodernen Helden, eines Vorreiters der Senioren-Emanzipation.
Aus allen Ecken ertönt nun das Hohelied der Heldenstilisierung, was sich im Folklore-Fachblatt ZEIT online so anhört: „Perfekt beherrscht er das ironische Zitat eines ironischen Zitats und wird damit zum Held der ironischen Zitäter. Heino ist nun Teil einer Jugendbewegung, und sei sie nur saisonal und hieße Polonaise! Denn auch das wäre natürlich bloß Ausdruck der Subversion gegen unsere wohlgelaunte Wellness-Kultur.“
Nun, das ist ja ganz hübsch ironisch weitergesponnen, liebe Rabea Weihser, aber ist das nicht doch zuviel der Ehre für den Barden der schwarz-braunen Haselnuss? Kann einer ein Ironiker genannt werden, der mit Ironie-Zeichen nur so um sich schleudert? Denn es ist wohl eher so, wie ein kluger Autor mal bemerkt hat, „dass die Verwendung von Ironiezeichen dem Ironischen gerade die Ironie entzieht, die ja darin liegt, die wahre Bedeutung der Aussage offen zu lassen. Das Ironiezeichen löst die Dissonanz zwischen Aussage und Bedeutung vorzeitig auf und verdirbt dadurch den spöttelnden Aspekt.“
Und schließlich dekonstruiert der Mann die möchtegern-Ironie seines Dekonstruktionsversuchs auch noch selber: „Dass Künstler aus etwas Ernstem etwas Lustiges machen, das kennt man zur Genüge. Ich aber mache aus etwas Lustigem etwas Ernsthaftes. Und das hat eine neue Dimension, das kommt gut an.“ (im SZ-Interview vom 6.2.)

Oder irre ich mich und es ist gerade dieses letzte, der Rückwärtssalto ins Bodenständige, die Erscheinungsform des wahren Geistes von Heinos Ironie? Schließlich raunte schon Thomas Mann, wahre Ironie bedeute durchaus nicht Spott oder Hohn, sondern sie sei ein „heiter das Ganze umfassender Blick“, die Haltung einer „von keinem Moralismus getrübten Sachlichkeit“, ja das Prinzip der künstlerischen Objektivität überhaupt. (Thomas Mann, Gesammelte Werke in zwölf Bänden (1960), X, S.353)

Vielleich mag seine wahre Geisteshaltung ja für immer Herr Kramms Geheimnis bleiben, aber immerhin haben wir von ihm und seinen Spin-Doctors einiges gelernt darüber, wie man in der heutigen Ökonomie der Aufmerksamkeit sein Schärflein sichern kann. Und wie unsere ästhetischen Vorlieben und Ressentiments stärker von einer gesamtgesellschaftlichen Stil-Rezeption geprägt werden als uns in unserem ganzen Stolz als frei urteilende Subjekte lieb sein mag.

Aber einen bisher offenbar übersehenen Kandidaten für eine Retour-Persiflage wollen wir dem Herrn Kramm doch zum Schluss dieses Beitrags zum immerwährenden Fasching im deutschen Unterhaltungs-Business noch empfehlen, zumal jener Künstler-Kollege im folgendem Enthüllungs-Video einen schrecklichen Verdacht über den wahren ontologischen Status des Barden Heino in die Welt gesetzt hat:

 

wf

Ein Gedanke zu „Ein kleiner Exkurs in die opaken Untiefen des Ironismus“

  1. Pingback: B.O.N.Z. | Heino – Junge (Cover von: Die Ärzte) – BONZ.CH

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.