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Philosophische Cartoons – vom Steinzeit-Kino zu den Simpsons

Wenn Homer Simpson geahnt hätte, dass er selbst mal Gegenstand philosophischer Untersuchungen werden würde, dann hätte er sich über seine eigene Spezies wohl nicht so abfällig geäußert: „Cartoons haben keine tiefere Bedeutung. Es sind nur doofe Zeichnungen, die auf billige Lacher aus sind“.
Es ist noch gar nicht lange her, da galten Comics und Cartoons als Schund, vor dem zumindest in jedem braven deutschen Lehrerhaushalt gewarnt wurde. Selbst Donald Duck fand zuweilen keine Gnade, erst die weltweite Solidarität der Donaldisten verbesserte seine pädagogische Reputation. Die Donaldisten sind nicht nur eine Fan-Community, sondern verstehen sich auch als Teil der jungen wissenschaftlichen Disziplin der Comic-Forschung. Wie auch der Amerikaner William Irwin, der sich seit Jahren mit der Weisheit der Simpsons beschäftigt und die dabei entstandenen, teilweise richtig tiefgängigen Essays einiger bekannter amerikanischer Literaten und Philosophen kürzlich in einem Buch versammelt hat: „Die Simpsons und die Philosophie. Schlauer werden mit der berühmtesten Fernsehfamilie der Welt.“

wikipedia/commons wilhelm busch - lehrer lämpelNun hatte ich das Glück, nicht in einem Lehrerhaushalt aufzuwachsen und so kam bei mir schon bald nach Erwerb der Lesefähigkeit der Wilhelm Busch auf’s Nachtkästchen; lernte dabei, dass bigotte Seelen wie die der „Frommen Helene“ letztlich vom Teufel geholt werden und dass die Moralphilosophie eines „Lehrer Lämpel“ die Quintessenz des Kleinbürgertums darstellt.

Dieser Wilhelm Busch war auch einer der wichtigsten Illustratoren der humoristischen deutschen Wochenschrift „Fliegende Blätter“ (1845-1944), die den Vorläufer für die deutsche Comic-Szene und die satirischen Magazine Kladderadatsch (gegr. 1848), den Nebelspalter (gegr. 1875) und den Simplicissimus (gegr. 1896) gab.
Heutzutage beschäftigen nicht nur die meisten ’normalen‘ Magazine und Zeitungen eigene Cartoonisten, deren Thematik hauptsächlich in politischer und gesellschaftskritischer Satire liegt, sondern es findet auch eine Aufwertung in den Feuilletons statt, die den Comic-Boom, speziell der „Graphic Novels“, mit Lobgesängen und Stimmungsberichten fleißig befeuern. Vom Schmuddel-Image in den Literatur-Kanon. Mittlerweile traut man der Bildgeschichte, wie die „Zeit“ meint, allerhand Gewichtiges zu: „Kein gesellschaftliches, politisches, historisches Thema scheint vor ihr sicher „“ zumindest, wenn es hinreichend ernsthaft aufgefasst wird, am besten autobiografisch, versehen mit dem Siegel der Authentizität.“

Da ein Cartoon potenziell jeden Aspekt des gesellschaftlichen Lebens in eine einprägsame Bilderzählung überführen kann, kamen unsere Vorfahren schon vor Jahrzehntausenden auf die Idee, mit Comics und Cartoons ihren Alltag, ihre Rituale und religiösen Vorstellungen an Felswänden festzuhalten. Nicht nur aus metaphysischen Beweggründen, sondern vielleicht auch, um ganz konkret Spaß dabei zu haben. Behauptet zumindest ein Team von britischen und österreichischen Archäologen, nachdem sie prähistorische Felszeichnungen in der Region Valcamonica in der norditalienischen Lombardei untersucht hatten. Es handle sich dabei um eine Art jungsteinzeitliches Open-Air-Kino mit Schwertkämpfen und Kriegsszenen, Menschen auf der Jagd und bei rituellen Tänzen, dargeboten mit ausgeklügelten Licht- und Soundeffekten. Die Wissenschafler haben nun ein paar dieser Bildsequenzen in einer Animation zum Laufen gebracht, die ihr euch nebst Hintergrund-Infos dann  hier ansehen könnt.

Das Philosophische an Cartoons ist ja nicht immer sofort augenfällig, da sie scheinbar oft nur zeitgeist-witzig und eine einzelne Eigenart karikierend daherkommen; doch ein gutes Cartoon lässt Raum für Assoziationen über das allgemein Menschliche, allzu Menschliche, und ich wünschte mir dann, auch Nietzsche hätte zeichnen können ;-)

Schließlich gibts auch Cartoons, die nicht nur zum Philosophieren anregen, sondern sich gleich selber damit beschäftigen. Gut gedacht und gemacht sind etwa die Cartoons in der zweidimensionalen philosophischen Welt von Matthias Reuter bei „philosophie.de“. Einsichten über Philosophenschicksale, Monaden, Hühner, Agressionen und den Leviathan…

Und für den „philosophisch-besinnlichen“ Ausklang dieses Artikels hat der Augsburger Cartoonist Andi Walter die folgende kleine Bildergeschichte rausgerückt:

 

Der Weg



Andi Walter - Weg


(Cartoon als Gesamtbild anzeigen)
© Andreas Walter

Dem englischen Moralphilosophen Shaftesbury wird übrigens die Idee des „Test of Ridicule“ zugeschrieben: „Was nicht erträgt, ins Komische gewendet zu werden, lohnt auch nicht, ernst genommen zu werden.“

Ach ja, und die Geschichte vom Struwwelpeter und der Struwwelliese erzähl ich dann ein andermal…

wf

3 Gedanken zu „Philosophische Cartoons – vom Steinzeit-Kino zu den Simpsons“

  1. hab mal in der galerie von andi walter gestöbert, von dem stoff kannst uns hier öfter was verabreichen, da dürfte thematisch ja immer wieder mal was passen.

  2. Wenn’s sich vom Thema her anbietet, werd ich bei ihm wieder anfragen. Vorstellbar wäre auch der umgekehrte Weg, dass Leser, z.B. du, von einem der Cartoons thematisch so eingefangen werden, dass sie zu der Idee ein eigenes Texterl entwickeln. Kann dann ja viellleicht hier als Gastbeitrag erscheinen…

  3. Passend zu dieser kleinen Geschichte der philosophischen Cartoons: „Comics bedienen sich einer sehr diffizilen und extrem alten Technik. Der Comic Strip ist so etwas wie eine erste Form der Sprache in vorschriftlichen Kulturen, eine ursprüngliche Form des Ausdrucks. Man denke nur an Höhlenmalerei. Auch Hieroglyphen sind so etwas wie sequenzielle Bilderzählung.“ (Alan Moore).
    Den ganzen Kulturzeit-Beitrag findet ihr unter
    http://www.3sat.de/page/?source=/kulturzeit/lesezeit/158819/index.html

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