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Von den metaphysischen Freuden des Rauchens

Raucher

Mit Larifari-Politik gewinnt man in Bayern keine Wahlen, und so war es nicht zuletzt der Schlingerkurs im Streit ums Rauchverbot, mit dem sich die CSU den lästigen gelben Fleck auf der schwarzen Weste selber eingesuppt hat. Nun soll per Volksentscheid am 4. Juli eine klare Linie zum Nichtraucherschutz her, wobei jetzt schon feststeht, dass unabhängig vom Abstimmungsentscheid auch auf dem nächsten Münchner Oktoberfest das Qualmen in den Saufzelten straffrei bleiben wird; aus der Jubiläumswiesn wird per oberbürgermeisterlichem Dekret (der übrigens SPD-ler ist) eine sog. „Übergangswiesn“.
Na, mir kann des eigentlich egal sein, denn a g’standner bairischer Grantler geht eh ned auf d‘ Wiesn, des is hauptsächlich a Event für Zuagroaste & Touries, für B-Promis & Schickies, die in ihren sauteuren Depperl-Boxen drauf warten, dass‘ für 3 Sekunden in der „Abendschau“ blöd- & botoxgrinsen dürfen.

Aber als rauchender Bayer bin ich, auch wenn mir diese Volksentscheids-Partizipation eher als Alibi für die mitplappern wollende vox populi gedacht zu sein scheint,  gelegentlich davon betroffen, wenn ich mich aus kulturellen oder sozialen Anlässen unters (Kneipen-)Volk mische.

Und kürzlich hab ich sogar mal ernsthaft dran gedacht, das Rauchen aufzugeben. Aber nicht, weil mir die Argumente der Nichtraucherschützer, die zunehmende gesellschaftliche Stigmatisierung der rauchenden Minderheit oder mein mitleidheischender Kontostand in den Sinn gekommen wären, sondern das hämische Grinsen des Berggifels, den ich partout mit’m Radl hinauf wollte. Da war nicht mehr der Weg das Ziel, sondern die nächste Verschnaufpause, natürlich mit Belohnungskippe.

RaucherUm gleich mal klarzustellen: bei Rauchverbot geh ich gar nicht so ungern vor die Tür, hat ja was Rituelles, aber ich gehöre nicht zu der Sorte Raucher, die um der psychischen Annehmlichkeiten der Solidargemeinschaft ausgegrenzter Minderheiten willen ihre Trotzhaltung hätscheln.
Oder das daraus resultierende und bindungseffiziente Verschwörergefühl beim Smirten vor der Kneipentür schamlos zum Anbandeln ausnutzen – das würd ich mir bei ausreichendem erotischen Interesse sogar als Simulant zutrauen. Auch wenn man mir beim Rauchen nicht mehr jugendliche Lässigkeit abnimmt, dafür aber vielleicht die Coolness des alten Skeptikers ;-)

Für mich liegt im Rauchen die sichtbare Verkörperung des dialektischen Prinzips, einerseits als eine Art grundsätzlicher Verneinung von Regeln zur Modelung des eindimensionalen Menschen und andererseits als ein Zeugnis von Selbst-Identifikation und Selbstbestimmtheit in der bewussten Förderung kreativen Denkens und Handelns. Dabei kulminiert Leibniz‘ Monadenidee in der Vorstellung vom Feinstaub als Kondensationskerne aller sichtbaren Materie und allen Lebens: der sich selbst organisierende Staub markiert eine Grenze, an der wir gerade noch erfahren können, wer wir sind und wo wir herkommen, was wir tun und was aus uns werden kann – übrigens auch ein schönes Thema in Hartmut Bitomskys Film über die „Phänomenologie des Staubes“.

Das Betrachten der wabernden, flüchtigen Rauchwölkchen gaukelt das Bewusstsein sanft in metaphysische Spekulationen über die  ins Unendliche reichende Verwobenheit alles Seienden, das aus der Soheit als Nicht-Identisches emergiert – eine  angenehme Geistreise, die in dem uralten Bedürfnis des Menschen nach höherer Sinngebung gründet, so sehr er sich heute auch mit seinem unzureichenden Verstand um eine naturalistische Erklärung darum bemühen mag, wie aus Sternenstaub das Gefühl der Liebe entstehen konnte.

Ja, Sie haben Recht, ich rauch grad eine, und während ich all das eben Gedachte nochmal bedenke und dabei die vor mir am qualmbewegten Faden baumelnde Spinne immer wieder freundschaftlich in Schwingung blase, wird mir rauchklar, dass ich’s nicht lassen mag und mir demnächst lieber ein leichtgängigeres Radl zulege…

wf

2 Gedanken zu „Von den metaphysischen Freuden des Rauchens“

  1. Der Zusammenhang zwischen dem blauen Dunst und der Metaphysik sowie Dialektik ist IMHO gekonnt hergestellt. Und ich wünschte mir allgemein in der Philosophie mehr Alltagsbezug. ;-)

  2. @Sophia: Die Ausrichtung des Philo-Studiums an der Uni Osnabrück kenn ich zwar nicht, aber allgemein scheint mir die „pragmatische Wende“, hin zu einer nicht-metaphysischen Philosophie mit alltagstauglichen Bezügen, auch in der ‚Kontinentalphilosophie‘ langsam mehr Freunde zu gewinnen. Anregende Gesichtspunkte dazu vermittelt die Essay-Sammlung „Kolleg praktische Philosophie“.
    Allerdings landet man beim Betrachten der Alltagswahrnehmung und der Absurditäten alltäglichen Denkens unter dem philosophischen Brennglas schnell (wie in diesem Artikel) in kontrapunktierender Ironie ;-)

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