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Flaschenpost von Adorno

minima moralia

Was Adorno bereits vor über einem halben Jahrhundert über die schmierigen Mechanismen im System der Kulturindustrie und den schnell hochgepäppelten Autorenruhm in seinen „Minima Moralia“ geschrieben hat, bezeichnete er selber als „Flaschenpost für unbekannte Finder in einer unbestimmten Zukunft“.  Er befürchtete einen „Verfall, auch im Sinne intellektueller Abklärung“ bei den von der Kulturindustrie Gehätschelten ebenso wie bei den kritiklos Konsumierenden, für die es „kein richtiges Leben im falschen geben kann“.

Und der Mitbegründer der Kritischen Theorie hätte sich wohl kaum gewundert,  dass heutzutage das von Medienkonzernen gesteuerte Groß-Feuilleton die Aufgabe einer unabhängigen kritischen Gewichtung neuer Literatur, Musik und anderer Künste kaum noch glaubwürdig wahrnehmen kann, selbst wenn ein paar Restidealisten sich bemühen – unabhängig Gedachtes Entstandenes hat in einem System von Abhängigkeiten halt keinen Platz, weil es nicht in die kulturindustrielle Verwertungskette vom lancierten Insider-Hype bis zum Star-Kult eingebunden ist und folglich keiner organisierten materiellen Nutzung zugeführt werden kann.

Aus Adornos ‚Blogeinträgen‘ in die „Minima Moralia“, diesem „Kaleidoskop der global organisierten Unmündigkeit“,  hier nun passend zu Hegemann & Co. ein Ausschnitt aus Nr. 63, quasi als bottle-crossposting:

minima moralia„Ruhm als Resultat objektiver Prozesse in der Marktgesellschaft, der etwas Zufälliges und oftmals Angedrehtes hat, … ist ganz zur Funktion bezahlter Propagandastellen geworden und misst sich an der Investition, die vom Träger des Namens oder der Interessensgruppe, die hinter ihm steht, riskiert wird. Der Claqueur hat mittlerweile als offizieller Beauftragter des Kultursystems seine Irrespektabilität abgelegt. […] Man nimmt das Bekanntwerden und damit gewisssermaßen auch das Nachleben … in eigene Regie und kauft sich wie ehedem bei der Kirche so nun bei den Lakaien des Trusts die Anwartschaft auf Unsterblichkeit.  […]

So führt die geplante Verfügung über Ruhm und Andenken unweigerlich ins Nichts, dessen Vorgeschmack schon am hektischen Wesen aller Zelebrität sich wahrnehmen läßt. Den Berühmten ist nicht wohl zumute. Sie machen sich zu Markenartikeln, sich selber fremd und unverständlich, als lebende Bilder ihrer selbst wie Tote. […] Die unmenschliche Gleichgültigkeit und Verachtung, die gefallenen Größen der Kulturindustrie sogleich zuteil wird, enthüllt die Wahrheit über ihren Ruhm.“

aus: Theodor W. Adorno
Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben
Suhrkamp, TB 304 Seiten / ISBN 978-3518293041

Aber weil die Hype-Maschine ja weiterlaufen muss, hat Wolfgang Michal hier schon mal einen Blick auf die zukunftsweisende „Axolotl Roadmap“ in den Bestseller-Laboren und kulturindustriell gestopften Feuilletons gewagt ;-)

wf

Ein Gedanke zu „Flaschenpost von Adorno“

  1. In dem ganzen aufgeregten Gequake der bloggenden selbsternannten ‚Kulturkritiker‘ tut das subtile Brummen des alten Adorno wieder mal so richtig gut, kannst ruhig öfter was von ihm posten.
    Die verlinkte Satire von W. Michal ist klasse, da trifft Witz auf Hirn.

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