…und ein hübscher Animationsfilm als Hommage an Mary Bauermeister
Zur Zeit feiert man in mehreren Wiesbadener Museen und Kultureinrichtungen das 50-jährige Jubiläum der weltweit ersten Fluxus-Performance, die im September 1962 im Rahmen der Fluxus-Festspiele Neuester Musik im Vortragsaal des Wiebadener Museums stattfand.
Im Zentrum des Films steht ein Abend, der sowohl in die Musik- als auch in die Kunstgeschichte als einer der größten „Vatermorde“ eingegangen ist: Der koreanische Musiker und spätere Performance- und Videokünstler Nam June Paik shampooniert seinem großen Vorbild John Cage die Haare und schneidet ihm die Krawatte ab. Diese Attacke auf Cage, die völlig unvorhergesehen kam und Cage zutiefst erschütterte, war für Paik ein wichtiges Ritual.
Paik, der eine klassische Musikausbildung genossen hatte und sich als Komponist verstand, beschloss zu dieser Zeit, seine Karriere als Komponist zu beenden, da er den Eindruck hatte, niemals an seine großen Vorbilder Cage und Stockhausen herankommen zu können. Der Schnitt durch die Krawatte von Cage bedeutete für ihn sozusagen einen Einschnitt in sein eigenes Leben, seine Laufbahn als Künstler. All seine Enttäuschung und Wut über das eigene „˜Versagen“™ kam in dieser Aktion zum Ausdruck.Die im Film gezeigte Performance von Paik spiegelt aber noch einen zweiten wichtigen Aspekt des Films: die Radikaliät der Avantgarde als Reaktion auf die Erlebnisse der Kriegs- und Nachkriegszeit. Paik spielte zunächst Chopin, um die Zuhörer in Musik einzuhüllen, die sie kannten und die ihnen Sicherheit gab. Plötzlich sprang er auf, stürzte das Klavier um und begann, das Publikum mit gespielten Maschinengewehrsalven zu attackieren. Auf diese Weise kritisierte er das hartnäckige Schweigen der Deutschen über die Gewalttaten des zweiten Weltkriegs.
In diesen Zusammenhang gehört auch der Auftritt des Schriftstellers Hans G Helms, der im Atelier sein Buch Fa:m“™ Ahniesgwow, dessen Idiom aus 28 verschiedenen Sprachen kompiliert wurde, vorstellte. Neben einer ungefähr zu erkennenden Liebesgeschichte thematisiert das Buch vor allem die Gewalt, Zerstörung und Unterdrückung, die Helms als Jude während des Krieges erlebt hatte. Mit seinen Rückgriffen auf Dada Zürich, die Surrealisten und die Nouveau Réalistes zu Beginn des Films, bettet Zootzky das Atelier Bauermeister in den Kontext der klassischen Avantgarden ein. Auch die Dada-Künstler in Zürich begegneten dem gewalttätigen Abschlachten tausender Menschen im ersten Weltkrieg mit beißendem Zynismus. Je brutaler und absurder der Krieg wurde, umso grotesker wurden die Veranstaltungen im Cabaret Voltaire.
Es entstanden die ersten Lautgedichte, die Hugo Ball in einem absurden Kostüm dem Publikum entgegen brüllte. Das Bürgertum mit seiner biederen Kunstauffassung und seinem fest gefügten Geschmack wurde ebenso attackiert und bloßgestellt, wie Paik dies in seiner Performance 1960 wieder tat. Die Spiegelung der Gewalt des Krieges in den Aktionen der Künstler ist von Anfang an ein wichtiges Thema des Films.Kerstin Skrobanek M. A.
Infos zu den Wiesbadener Ausstellungen und Konzerten
wf
Bei den „Fluxus Festspielen Neuester Musik“ können Besucher der Website unter „Piano Interactivities“ ( http://fluxus50wiesbaden.de/extras/piano-interactivities/ ) noch bis zum 24. September selber eine Fluxus-Performance mit eigenen Vorgaben installieren und zur öffentlichen Aufführung bringen. Jeweils Di-So von 11:00-13.00 und von 16:00-18:00 Uhr.
Viel Spaß dabei!
Gruß Daniel
Danke, Daniel, für den interessanten Hinweis. Heute hat übrigens auch „Kulturzeit“ einen Beitrag über diese „Piano-Interactivities“ gebracht:
http://www.3sat.de/mediathek/?display=1&mode=play&obj=32294
Pingback: Philosophische Schnipsel » Die Schwammerlrezepte des schachspielenden Zen-Buddhisten und Fluxianers John Cage
Pingback: Presse | Gregor Zootzky