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Kant meets Marx – ein Plädoyer für politische Bildung

Die Kritische Theorie ist weder tot noch riecht sie komisch. Zumindest, wenn man den Gedanken von Oskar Negt im Spiegel-Interview folgen mag, in dem er die schöne, allerdings nicht neue Utopie eines demokratischen Idealstaates propagiert, mit aufgeklärten, mündigen Bürgern, voller Verantwortung für sich selber und gleichzeitig das Gemeinwesen.
Ja, das wär’s doch, da darf sich dann schon mal Kants Kategorischer Imperativ mit dem Sozialismus vermählen, unser Aller sapere aude als Trauzeuge. Schließlich wäre der Sozialismus als real existierender vielleicht auch nicht gescheitert, wenn seine „Macher“ die Voraussetzung für die Marx’schen Gesellschaftsutopien beherzigt hätten, wie sie im Kommunistischen Manifest gefordert wird: „Die freie Entwicklung eines jeden ist die Bedingung für die freie Entwicklung aller.“
Um dahin zu kommen fordert Negt, „das besondere der je eigenen Lebenswelt mit dem Allgemeinwohl der Gesellschaft dialektisch in Zusammenhänge zu bringen. Demokratie muss gelernt werden – immer wieder, tagtäglich, ein Leben lang.“

Und wenn das Projekt wieder mal an der conditio humana scheitern sollte, bleibt immerhin als Trost, was Herbert Marcuse in seiner Studie über Platons Versuch anmerkte: „Das Erbauliche an seinem Leben ist nicht, was er erreicht hat, sondern was er versucht hat. Das Traurige an unserer Zeit ist aber nicht, was sie nicht erreicht, sondern was sie nicht versucht. Im Versuchen aber liegt der echte Idealismus.“

So ist es wohl, und auch wenn’s nicht wirklich hilft, schwelgen wir gern noch ein wenig mit Negts Abschlusswort in der kleinen Rest-Hoffnung auf ein richtiges Leben im Richtigen:

„Die Zeit der Barrikaden ist vorbei, Revolution ist ein Prozess, der nicht abschließbar ist. Was bloße Reform ist und was revolutionäre Veränderung, ist so einfach nicht zu unterscheiden. Ich verbinde den Revolutionsbegriff mit Strukturreformen des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Ohne kleine Schritte, ohne Veränderung im Alltag, ob in der Schule oder in der Familie, gibt es gar keine nachhaltige Entwicklung. Jeder ist aufgefordert, Risse und Widersprüche wahrzunehmen und sie auf ihre Veränderungsmöglichkeiten hin zu untersuchen, um sich dann für Alternativen stark zu machen. Das verstehe ich als Beitrag zur Verbesserung der Welt.“

„In dieser Gesellschaft brodelt es“
Spiegel-Interview mit Oskar Negt

Neuerscheinung:
Oskar Negt: „Der politische Mensch. Demokratie als Lebensform“
Steidl Verlag, 585 S., ISBN: 978-3865215611

wf

2 Gedanken zu „Kant meets Marx – ein Plädoyer für politische Bildung“

  1. Ne Carlo, ist nicht ‚verhohnepiepelnd‘ gemeint (bei uns sagt ma ‚dableggad‘), sondern aufwertend-affirmativ, weil erstens der Jazz auch eine Freiheits-Utopie verspricht und es zweites bei Zappa in ’negativer Dialektik‘ heißt: „…it just smells funny“

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