Zum Inhalt springen
Startseite » Weltfremdes Journalistengeschwätz

Weltfremdes Journalistengeschwätz

 „Die Internet-Kultur, auch die Piraten und Blogger müssen lernen, dass die herrlichen Zeiten, in denen im Internet alles umsonst war, vorbei sind.“ (Jakob Augstein)

So hanebüchen weltfremd und reaktionär outete sich der Journalist und Verleger(sohn) Jakob Augstein im 3sat-Interview als geistiger Sideman des Medienmoguls Rupert Murdoch, der bekanntlich die Internetseiten seiner Medien jetzt für alle Suchmaschinen wie Google und ähnliche News-Aggregatoren sperren und Nachrichten im Netz nur noch gegen Bezahlung zugänglich machen will. Denn die Nachrichten vom Weltgeschehen gehören nicht allen, sondern denen mit dem Wissen davon, und Wissen ist Macht, und Macht ist Geld, und das Internet macht bisher kein Geld. „Das sind Leute, die einfach alles aufsammeln und unsere Geschichten klauen“, sagt Murdoch über die ‚Internet-Diebe‘.
Aber möglicherweise haben sich die Medientycoons der Vergangenheit noch nie mit der ontologischen Fragestellung nach dem Wesen vom ersten Grunde jeder Nachricht, nämlich der Tat, beschäftigt und drum bespiegeln wir das mal mit ihrer eigenen Logik: Generieren die Nachrichten-Vertreiber wie Murdoch & Co eigentlich ihre Nachrichten selbst oder zahlen sie etwa an die Hersteller ihrer Handelsware, an die Original-Täter, die Nachrichtenurheber (auch an die toten, denn die liefern ja die größten Hits)?

Aber Augstein kann noch doller:

„Ich glaube dass wir alle dankbar sein können, dass Rupert Murdoch das gemacht hat. Es war Zeit, dass einer vorangeht […] und es zeigt, dass in Zeiten des Internet das Verlagsgeschäft immer noch eins ist, wo große Figuren wichtige Wegweise und Entscheidungen treffen können. Ich finde es gut, dass wir diesen Kulturwandel jetzt einleiten.“

Dankbar, dass einer vorangeht? Ein Avantgardist, ein Sehender im Nebel? Eine große Figur aus der Vergangenheit, die im Zeitalter des Internet die Wege weist? Rolle rückwärts als Kulturwandel?

Hier das komplette Kulturzeit-Interview mit Jakob Augstein vom 10.11.2009 (5.44 min)

wf

7 Gedanken zu „Weltfremdes Journalistengeschwätz“

  1. Ich könnte mich auch schrecklich aufregen über dieses Interview und dessen Inhalt. Von „vorangehen“ zu sprechen, wenn doch von einem krassen Rückschritt die Rede ist — manche werden es wohl nie lernen, dass Information frei sein sollte und die Idee von bezahlten Inhalten nur noch reines Wunschdenken derer ist, die aus der Unflexibilität umzudenken heraus um ihr Einkommen bangen.

  2. Bedenkenswert bedauernswert?
    Aber ehrlich – mir gefallen Gesichter, die sich so ungeschminkt zeigen.
    Dass Murdoch, Augstein & co das Internet begriffen haben, daran wird wohl niemand zweifeln.
    In der Welt des Internets darf auch der Qualitäts-Jounalismus (was auch immer man darunter verstehen mag) sein Plätzchen suchen. Aber ich vermute, dem benannten wegweisend vorausgehenden Kulturwandel-Einleiter geht es wohl weniger um das Wegweisen, Vorausgehen und Kulturwandeln, denn mehr um die eigenen Pfründe.
    Die Felle bestehen aus Echtgeld – und sie können nur dem davonschwimmen, der sie hatte oder sie begiert.
    Übrigens gibt für alles ein Preis, zu dem es keiner mehr haben mag. Auch für die bestens aufbereitete Information.
    In einer Welt, in der nicht existiert was Goggle nicht findet, ist das ein mutiger Schritt.
    Lasst uns das Schauspiel betrachten.

  3. Gerade hat Obama bei seinem Chinabesuch das Menschenrecht auf freie Information für alle betont. Eine Nachricht ist also, sobald sie entsteht, Allgemeingut wie etwa Luft. Deshalb müsste man bei Content-Angeboten klar trennen zwischen der freien Basisinformation und einer interpretatorischen Einordnung/ Kommentierung, die eine gewisse ‚Schöpfungshöhe‘ als erbrachte Leistung in Anspruch nehmen kann.
    Für die (geringen) Kosten der reinen Nachrichtenverbreitung, egal ob bei Google-News, der dpa oder der Tagesschau, brauchen wir Modelle einer gesamtgesellschaftlichen Trägerschaft, wenn wir Wert auf neutrale und geprüfte Basis-Information legen.
    Medien, die darüber hinaus Geistesarbeiter beschäftigen, um für ‚Sinngebung‘ oder Unterhaltung zu sorgen, können ihr Angebot ruhig unter einem Bezahl-Verschluss halten, dann regelt das der Markt von allein.

  4. Kaum zu glauben, dass es noch reaktionärer geht: der Honorarprofessor Mathias Schwarz, ehemaliger Leiter der Rechtsabteilung der KirchGruppe, hat kürzlich beim jährlichen Treffen des Verbands der deutschen Zeitschriftenverleger (VDZ) etliche längst versenkt geglaubte Argumente für die Schaffung eines Leistungsschutzrechts für Verlage nochmal ausgegraben.
    In einer kommentierten Zusammenfassung dieses welt- und rechtsfremden Altherren-Gesabbers stellt Matthias Spielkamp jene rückwärtsgewandte Lächerlichkeit nochmal an den Carta-Pranger:
    http://carta.info/18439/leistungsschutzrecht-alter-wein-in-alten-schlaeuchen/

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.