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„Haben oder Sein“ – Fromms aktuelles Vermächtnis

Fromm Haben oder Sein

Schon Anfang der 1970er Jahre hat Erich Fromm, Mitbegründer der Analytischen Sozialphilosophie und einst Weggenosse Adornos, in etlichen Essays Lebensmöglichkeiten einer künftigen Gesellschaft entworfen, vieles davon wirkt wie gerade erst verfasst; etwa der Aufruf zum Verbraucherboykott als gesellschaftspolitischem Druckmittel oder die Forderung nach einem garantierten Grundeinkommen für jeden Bürger, womit er neben dem Philosophen André Gorz zur wichtigsten Stimme der gesellschaftspolitischen Umdenker, auch zum Vordenker der damals langsam aufkeimenden „Grünen“-Bewegung wurde.

Fromm Haben oder SeinAls das Buch „Haben oder Sein“ 1976 erschien, begann die westliche Industriegesellschft gerade zögernd, über die „Grenzen des Wachstums“ zu diskutieren, die erste Ölkrise hatte Schockwellen geworfen, der erste Bericht des „Club of Rome“ war erschienen, die Gefahren blindvertrauter Anwendungen in Medizin und Chemie manifestierten sich in Schreckensszenarien, die Atomkraft zeigte nach Aufdeckung der Störfälle in Sellafield ihr Katastrophenpotential. Fromm schrieb in einer Welt des Habens, die ihre Lebensgrundlagen vernichtet und sich nur ändern kann, wenn sich auch die Psyche des Menschen dahingehend ändert, dass Verantwortung und Humanität zu den ethischen Grundlagen des Handelns werden.

Scharfsichtig und sehr aktuell seine Analyse des „Marketing-Charakters“ des modernen Menschen, die er schon in den vierziger Jahren entwickelt hatte und nun genau analysiert: Alles sei abgestellt auf vorübergehende Befriedigung, schnellen Konsum und Verschleiß.
Sein Denken hat Wurzeln bei Marx und Freud, bei Jesus und Buddha, dazu in Visionen von Spinoza und Meister Eckhart; Fromm sagt: Es gibt Hoffnung, die Welt ist veränderbar.
Es ist der Blick aufs Ganze, der bei Fromm fasziniert; sein Ansatz, nicht nur das Individuum, sondern die Gesellschaft mit dem Blick des Psychoanalytikers und vernetzt denkenden Philosophen zu studieren, wobei auch seine kritische Ausleuchtung der Folgeschäden institutionalisierter „Religionen“ von zeitloser und somit auch gegenwärtiger Relevanz ist.

Wer sich ernsthaft mit den zentralen Denkpositionen unseres modernen Lebens auseinandersetzen will, dem sei diese prägnant formulierte, dabei gut verständliche und visionäre ‚Bibel der zeitgenössichen Philosophie‘ an Herz&Hirn gelegt.

Erich Fromm: „Haben oder Sein“
dtv Verlag, TB 272 Seiten

wf

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